Eine Nacht im Schlafstrandkorb

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Stefan Gehrhardt

Wann hast du das letzte Mal am Strand übernachtet? Wenn es dir so geht wie mir, lautet die Antwort: das ist viel zu lange her. Stelle dir vor, wie du unter dem glitzernden Sternenhimmel einschläfst. Die Nacht ist vom leisen Rauschen der Brandung erfüllt. Am frühen Morgen erwachst du am menschenleeren Strand und erlebst den Sonnenaufgang über der Lübecker Bucht.

Seit einigen Jahren ist das kein Traum mehr. Eine Übernachtung im Schlafstrandkorb ist in Travemünde und einigen anderen Seebädern möglich. Am letzten Septemberwochenende haben wir diese einzigartige Übernachtungsmöglichkeit für die Lübeck ZWISCHENZEILEN getestet.

Die Geschichte des Strandkorbs

Strandkörbe gehören zum Bild der deutschen Küsten. Sie sind so alt wie unsere Badekultur. Der erste schriftliche Beleg ihrer Existenz stammt aus dem Jahr 1871. Der Korbmacher Ernst Karl Nikolaus Freese beschrieb einen
Strandstuhl mit Überdachung aus Weiden und Peddigrohr, dessen mit Öl lackiertes Dach gegen Wind und Wetter schützte. Gleichzeitig bot er auch eine gewisse Privatsphäre, denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts badete man gewissermaßen zugeknöpft.
Ab 1883 begann die kommerzielle Vermietung entlang der deutschen Ostseeküste. Es sollte nicht lange dauern, bis die Körbe auch an niederländischen und flämischen Nordseestränden auftauchten. Diverse Patente wurden angemeldet. Strandkörbe, die sich zu einem Koffer zusammenklappen oder als Boot verwenden ließen. Schon ab 1897 entstanden „Halblieger“ – zweisitzige Strandkörbe mit verstellbarer Rückenlehne in denen es sich schlafen ließ.

Der klassische Strandkorb hat sich in den letzten hundert Jahren kaum verändert. Allerdings gibt es einige kleine, aber feine Unterschiede zwischen denen der Ostsee- und denen der Nordseeküste.

Schlafstrandkorb
Der Travemünder Ostseestrand im Jahre 1898 – auch damals hatten Strandkörbe bereits ihren festen Platz in der deutschen Badekultur. Foto bereitgestellt von G. Weinberger

Die Frau und das Meer

Am 1. Mai beginnt die Strandsaison in Travemünde und währt bis Ende September. Wir waren spät dran. Ich mag die Ruhe der Nachsaison. Die kühlen Nächte und die frischen, klaren Herbsttage mit Bodennebel und Seerauch.

Am 27. September sind wir zu 17 Uhr mit Charlotte verabredet. Dass sie viel Zeit draußen an der frischen Luft verbringt, ist ihr gleich anzusehen. Bei unserem Treffen trägt sie einen warmen, weichen Wollpullover. In ihrem von der Sommersonne gebräuntem Gesicht leuchten zwei wache, klare blaue Augen. Uns wird schnell klar, dass Charlotte nicht auf den Mund gefallen ist. Die Linien ihres Gesichts zeugen von einem bewegten Leben und von ihrem herzlichen Lachen. Ich empfinde sofort Sympathie für Charlotte. Und das schon bevor wir unser gemeinsames Faible für Island entdecken.

Mit 30 Jahren zog sie der Liebe wegen nach Travemünde und heiratete in die Familie Seipel ein. Es war auch ihr Einstieg in die Strandkorbvermietung, die das Familienunternehmen Seipel bereits in der dritten Generation betreibt. Am 28. Mai nächsten Jahres feiert Charlotte das neunzigjährige Firmenjubiläum.

Außer uns sind an diesem Freitagabend noch zwei weitere Paare am Strand. Der Himmel ist düster und verhangen. Eine norddeutsche Brise sorgt für herbstliche Stimmung. Wir verlieren keine Zeit, unser Schlafgemach zu beziehen, den Korb „Seepferdchen“. Mit 1,4m x 2m bietet er genügend Platz für zwei Erwachsene. Eine Persenning schützt vor Wind und Regen, kann aber bei gutem Wetter hochgeklappt werden wie das Verdeck eines Cabriolets. Auf beiden Seiten bietet der Korb je ein Bullauge auf Kissenhöhe, das mit einer Klappe vor neugierigen Blicken verschlossen werden kann. Über dem Kopfende gibt es ein kleines Regal als Ablagemöglichkeit.

Charlotte drückt uns eine große Tragetasche in die Hand, in der wir zwei bezogene Decken und Kopfkissen finden. Vor unserem Strandkorb steht eine verschließbare Kiste, in der wir einen Klapptisch und zwei Stühle aus Holz finden. Einem romantischen Abendessen oder Frühstück am Meer steht damit nichts mehr im Wege.

Außerdem erhalten wir ein Schlüsselbund: für den Schlafstrandkorb, die Kiste und die Toiletten am Brügmanngarten. Als Übernachtungsgast hast du außerdem für eine halbe Stunde Zutritt zu den Duschen im Nivea Haus des aja Resorts. Je nach Budget und deiner Erwartungshaltung kannst du deinen Schlafstrandkorb mit oder ohne Bettzeug, mit Mondschein-Snack-Korb und reichhaltigem Frühstück reservieren. Es ist an alles gedacht.

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An einem kühlen Abend Ende September checkten wir ein, aber wir fühlten uns warm und geborgen im Korb „Seepferdchen“

Eine Herbstnacht am Meer

Nach der kurzen Einweisung beziehen wir unsere Unterkunft und schließen das Verdeck. Ich fühle mich sicher und geborgen. Wer hätte gedacht, dass unser Korb so bequem und geräumig ist? Ich empfinde eine regelrecht kindliche Freude über unsere gemütliche Schlafstatt. Ein kleines Abenteuer, ein Kurzurlaub in der eigenen Heimat.

Wir liegen ausgestreckt auf unserem bequemen Bett und blicken durch das Frontfenster aufs Meer. Ich fühle mich an all die Campingreisen meiner Jugend erinnert. Warum ist seitdem nur so viel Zeit vergangen?

Allmählich bricht die Nacht herein. Das passt uns gut. Wir haben heute nichts anderes mehr vor. Der wolkenverhangene Himmel durchläuft alle Schattierungen von Grau zu Dunkelblau. Der Wind zerrt von allen Seiten an unserem Strandkorb. Wir trinken heißen Tee aus einer Thermoskanne. Ich spaziere zur Nordermole und sehe den großen „Pötten“ zu, die das Molenfeuer passieren. Wie immer packt mich das Fernweh und ich wünsche mir, ich wäre an Bord.

Nach Einbruch der Dunkelheit besuchen wir eines der Restaurants an der Vorderreihe und gönnen uns ein gutes Abendessen. An warmen Sommerabenden kannst du dein Abendessen auch sehr gut am Klapptisch direkt vor deinem Strandkorb genießen. An diesem herbstlichen 27. September sind wir froh über ein beheiztes Restaurant.

Es ist noch nicht einmal 22:00 Uhr, als wir uns in fast völliger Dunkelheit in unseren Kissen vergraben. Auf dem Meer glimmen die Lichter vereinzelter Boote und Bojen. Der Strand ist menschenleer. Nur das leise Rauschen des Windes und des Meeres erfüllen die Nacht. Wir schlafen tief und fest.

Im Morgengrauen

Mein Freund weckt mich kurz nach 6:00 Uhr morgens. Am Horizont zeichnet sich ein schmaler blauer Streifen Dämmerung ab. Um uns herum schälen sich die schemenhaften Konturen der anderen Strandkörbe aus der Dunkelheit. Der Morgen ist kalt und windstill. Das erste Schiff des Tages treibt gemächlich, geräuschlos und in voller Festbeleuchtung auf die Hafeneinfahrt zu. Seine Lichter spiegeln sich in der ruhigen See. Als es heller wird, öffnen wir unser Verdeck und genießen das Schauspiel eines perfekten Herbstmorgens. Da wir unsere Übernachtung ohne Frühstück gebucht hatten, suche ich die nächste Bäckerei auf. Wenn du die Übernachtung mit Frühstück buchst, wird dir dieses direkt am Schlafstrandkorb serviert.

Ich mag diese Spaziergänge am frühen Morgen. Das Seebad erwacht gerade erst. Krähen patrouillieren scharenweise entlang der Strandpromenade. Misstrauisch beobachten sie mich von ihren Aussichtsposten auf den Laternenpfeilern.  Ihr raues Krächzen scheint mir die kalte Jahreszeit einzuläuten. Außer mir sind weitere frühe Vögel unterwegs: Ein Jogger läuft leichtfüßig dem Sonnenaufgang entgegen. Ein Hund führte enthusiastisch sein schlaftrunkenes Frauchen Gassi. Ein paar Angler stehen fast bis zur Brust im Meer.

Zurück im Strandkorb kuscheln wir uns wieder unter unseren Decken und genießen den heißen, dampfenden Kaffee und ofenfrische Franzbrötchen. Die sind perfekt: außen warm und knusprig, innen süß und weich. Schon allein dafür lohnte sich das frühe Aufstehen. Dazu kommt das Naturschauspiel: von Dunkelblau färbt sich der Himmel silbern und schließlich golden. Die Sonne erklimmt den Horizont, taucht alles in orangefarbenes Licht und lässt das Meer glitzern.

Gegen 9:00 Uhr erwacht der Strand allmählich zum Leben. Unsere Nachbarn kriechen aus ihren Körben. Vor ihren Strandkörben werden Tische und Stühle aufgestellt und das Frühstück wird serviert. Wir dagegen packen unsere Sachen und gesellen uns zu Charlotte. Mit scheint, dass auch sie die Nacht in ihrem kleinen Häuschen am Strand verbracht hat. Inzwischen dirigiert sie ihr Team, gibt Anweisungen zum Abbau ihrer Strandkörbe und macht ihren Betrieb winterfest. Wir waren die letzten Übernachtungsgäste der Saison.

Nach unserer Nacht im Schlafstrandkorb fühle ich mich an diesem sonnigen Herbstmorgen sehr gelöst und für meine Verhältnisse redselig. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Klönschnack mit Charlotte. Diese frühen Morgenstunden liebe sie am meisten, sagt sie. Ein Sonnenaufgang am Strand sei der perfekte Start in den Tag. Sie blickt auf eine erfolgreiche Saison zurück. Die Aussichten für das nächste Jahr seien gut. Es sei jedoch kein einfaches Leben: 12-stündige Arbeitstage seien in der Sommersaison nicht ungewöhnlich. Und das bei jedem Wetter. Im Winter gelte es, Korbpflege zu betreiben. Danach allerdings werde sie Urlaub nehmen und für mindestens einen Monat nach Island reisen. Dort habe sie Familie. Sie liebe die rauen Landschaften und die herzlichen Menschen dort oben im hohen Norden. Ich kann sie sehr gut verstehen. Strandkörbe gibt es dort jedenfalls keine.

Unser Fazit

Eine Übernachtung im Schlafstrandkorb ist ein einzigartiges Erlebnis. Ein Miniabenteuer, das irgendwo zwischen einer Hotelübernachtung und einem Campingurlaub angesiedelt ist. Du erlebst unsere wunderbare Natur aus nächster Nähe und dabei spürst du dich selbst ganz bewusst. So ging es zumindest mir.

Auf dieser Seite findest du die Antworten auf deine Fragen. Hier kannst du deine Übernachtung im Schlafstrandkorb buchen oder auch einen Gutschein bestellen. Wäre das nicht ein schönes Weihnachtsgeschenk?

Travemuende Schlafstrandkorb Oeffnen der Persenning © LTM Nadine Zellermann 1
Mit wenigen Handgriffen lässt sich die Persenning schließen und sogar von innen verriegeln. Die Kiste vor dem Strandkorb enthält einen Tisch und zwei Stühle für gemütliche Momente auf der „Terrasse“ (Foto (c) N. Zellermann)
Travemuende Abendstimmung Schlafstrandkorb 12 © LTM Nadine Zellermann
Laue Sommerabende zu genießen, nachdem der letzte Strandgänger nach Hause gegangen ist – auf Wunsch mit einem „Mondschein-Snack“
Travemuende Schlafstrandkorb Sonnenaufgang 4 © LTM Nadine Zellermann
Frühstück am Bett – darauf musst du auch im Schlafstrandkorb nicht verzichten. Ob nordisch, türkisch, vegetarisch oder vegan – es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Zum Weiterlesen
Ein Bett unter dem Ostseehimmel (luebeck-tourismus.de)

Schlafstrandkorb (travemuende-tourismus.de)

4 Gedanken zu „Eine Nacht im Schlafstrandkorb“

    • Vielen Dank, Stephan!

      Die Preise sind ganz unterschiedlich, je nachdem, ob Ihr am Wochenende oder unter der Woche übernachtet, ob Ihr eigene Schlafsäcke mitbringt oder Bettzeug mietet, ob Ihr Verpflegung dazu bucht oder Euch selbst versorgt. Einen „leeren“ Strandkorb ohne Bettzeug bekommt Ihr schon ab € 79,-
      Am Wochenende, inklusive Bettzeug und Frühstück sehe ich gerade online einen Preis von € 143,- für zwei Personen. Selbst dieser Preis liegt in der Hochsaison noch unter dem der meisten Hotels. Klar, Hotels sind komfortabler, aber den Schlafstrandkorb buchst Du für das Erlebnis. Das Frühstück wird morgens „ans Bett“ serviert und soll wirklich lecker und reichhaltig sein. Es gibt auch einen Mondschein-Snack-Korb mit Wein und Snacks.

      Antworten
  1. Wie von Dir gewöhnt, schön geschrieben und zumindest für weitaus jüngere Menschen, als ich es bin, einen Versuch wert. Trotzdem sollte es doch besser eine Sommernacht sein, denn frieren sollte man besser nicht. Eine Nacht, direkt am Meer, ist schon romantisch und verlockend….

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    • Vielen lieben Dank:) Nein, nachts zu frieren, kommt für mich auch gar nicht in Frage. Dementsprechend hatten wir sicherheitshalber zusätzliche Socken und T-Shirts mitgebracht, aber nicht gebraucht. Die Meisten würden wohl wie Du eine laue Sommernacht bevorzugen. Soweit ich weiß, sollte man dann aber frühzeitig reservieren. Besonders die Wochenenden sind schnell ausgebucht.

      PS: die Schlafstrandkörbe sind aber nicht nur für „Youngsters“ geeignet.

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Stefan Gehrhardt

Aufgewachsen an der Ostseeküste, bin ich 2021 nach Lübeck – und damit zurück nach Norddeutschland gezogen. Dazwischen lagen Stationen in unter anderem Island, Schweden und Berlin. An meiner neuen hanseatischen Heimat reizt mich besonders die einzigartige Kombination von Geschichte, Kultur und Natur. Mit dem frischen Blick des neu Hinzugezogenen entdecke ich regelmäßig Neues. Ganz besonders spannend finde ich die vielen – nicht nur geschichtlichen – Parallelen zu meiner skandinavischen Wahlheimat.

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