Café Camino – Pilger und Pastorenhäuser

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Barbara Schwartz

„Es kommt niemals ein Pilger nach Hause, ohne ein Vorurteil weniger und eine neue Idee mehr zu haben.“

Mit dieser treffenden Bemerkung des englischen Humanisten Thomas Morus möchte ich dich zunächst auf eine kleine gedankliche Pilgerreise ins Mittelalter, anschließend in die Pastorenhäuser von St. Jakobi und zum Schluss in ein ganz besonderes Café mitnehmen: das Café Camino, benannt nach dem Camino de Santiago, dem Jakobsweg. Alles ist mit allem verbunden. Du wirst sehen!

„In Gotes Namen fara wir…“

Das Pilgerlied ‚In gotes namen fara wir‘ aus dem 14. Jahrhundert kommentiert die einzelnen Stationen und die Gefahren des Jakobsweg. Lübeck lag an der Schnittstelle gleich dreier Pilgerwege, der Via Baltica, der Via Scandinavica und der Via Jutlandica. Hier kamen Menschen für eine kurze Zeit zur Ruhe. Für eine Andacht in St. Jakobi, eine Pause im Heilig-Geist-Hospital oder eine gute Mahlzeit in der Pilgerherberge. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert waren Millionen Menschen in Pilgertracht mit den Pilgerabzeichen am Mantel oder Hut unterwegs. Zu Fuß, mit Esel, Kutsche und Pferd oder zu Wasser. Es zog sie zu heiligen und antiken Stätten.

Sie wandelten auf den Spuren Christi, um Heilkundige aufzusuchen, für eine Heilung zu danken, um für die Segnung eines Vorhabens zu bitten, Buße zu tun und letztlich um das ewige Seelenheil zu erlangen. Pilgerreisen waren gefährlich und teuer. Unterwegs lauerten Gefahren durch wilde Tiere, räuberische Überfälle, Betrüger oder Krankheiten.

Stellvertreterwallfahrten waren daher gang und gäbe: wer es sich leisten konnte, schickte einen „Wallbruder“ oder eine „Wallschwester“ zu den heiligen Stätten, die dort für die Seele des Auftraggebers beten sollten. Ein recht geringes persönliches Risiko für den Daheimgebliebenen. In die Städte entlang des Weges brachten die Pilgernden ihre Ideen, Traditionen und Überzeugungen mit. Lübeck war auch aus diesem Grund ein weltoffener Ort, an dem sich kulturelle Einflüsse mischten. Darüberhinaus brachten die Gläubigen nicht nur den Schustern, die die zerschlissenen Schuhe richten mussten, ein gutes Einkommen.

Pilgerspuren in Lübeck

Bis heute lassen sich Spuren dieser Zeit in Lübeck entdecken. Viele Bürger:innen aus Lübeck besuchten Wallfahrtsorte in Deutschland, aber auch in Riga, Einsiedeln, Tours und Santiago de Compostela. Davon zeugen zahlreiche Pilgerzeichenfunde. Einen zentralen Platz im Geschehen nahm immer schon St. Jakobi ein, die bis heute für Pilgernde offen steht. Im Kirchenraum findet der aufmerksame Gast den heiligen Jakobus mit dem Pilgerstab und Muscheln im Sandstein – das Pilgerzeichen aus Santiago de Compostela. Gleich nebenan liegen die Pilgerherberge und die vier Jakobi-Kirchhäuser, in denen einst Organisten, Chorleiter, Witwen der Kirchenbeamten und Sargträger wohnten.

Café Camino, Pilgerort und Pastorenhaus in Lübeck

In Lübeck lässt sich auch der Pilgerweg des Kaufmanns Heinrich Constin erwandern. Es handelt sich um einen der ältesten Kreuzwege in Deutschland, einen Pfad mit sieben Stationen, den Constin nach seiner Pilgerreise ins heilige Land stiftete, zu der er 1468 aufgebrochen war. Der nach ihm benannte 1.650 m lange Weg beginnt bei einem Kalksandsteinrelief an St. Jakobi und endet an einem spätgotischen Häuschen aus Backstein auf dem Jerusalemsberg unweit der Trave.

Pastorenhäuser St. Jakobi

Im Laufe des 13. Jahrhunderts waren an einer kurz zuvor gebauten Lateinschule die ersten beiden Pastorenhäuser errichtet worden. 1601/02 erfolgte deren Umbau und der Bau von Haus 3 und 4 im Stil der Renaissance. Im Jahre 1866 wurde die Kloake der ehemaligen Schule erfasst. Diese besuchten vor allem die Söhne von Kapitänen und Kaufleuten. In der freigelegten Kloake, über deren Bau eine Notiz im ältesten Kämmereibuchder Stadt aus dem Jahre 1338 erhalten ist, fanden die Archäologen unter anderem Tintenfässer, Wachstäfelchen, Rechenpfennige und Brettspielsteine. Auf den Wachstafeln waren die Zeichnungen der mittelalterlichen Schüler noch ebenso gut zu erkennen wie der Text einiger Tafeln noch lesbar war. Ist das nicht einfach fasziniernd?

Café Camino

In diesen Pastorenhäusern ist ein bezauberndes Pilgercafé untergebracht: das Café Camino. Einmalig in Lübeck! Allein schon das historische Interieur ist einen Besuch wert. Die Diele mit der Decke, die eine Malerei aus dem 17. Jahrhundert ziert. Der für Lübeck typische hölzerne Kücheneinbau. Einfach perfekt, um den leckeren Mix aus deutscher, arabischer, spanischer und französischer Küche des „Café Camino“ zu genießen. Ayman Al Kassar und seine Frau Nada stammen ursprünglich aus Damaskus. Sie kamen mit ihren drei Töchtern im Dezember 2015 nach Lübeck, ihr kleiner Sohn kam in Deutschland zur Welt.

Café Camino mit Ayman Al Kassar und seine Frau Nada

eine echtes familienunternehmen

Die Familie betreibt das Café in den historischen Räumlichkeiten seit 2019. Ayman und Nada sind das Herz und die Seele dieses Ortes. Auch die beiden älteren Töchter helfen im Service. Im Nu plaudern wir angeregt über …. Sprachen, was sonst? Du weißt ja, dass meine Liebe dem Sprachenlernen gehört. Das syrische Arabisch ist mit dem libanesischen, palästinensischen und jordanischen Dialekt eng verwandt. Ja, schon gut, ich schweife ab….

ZwischenTöne Snack

Hörtipp: Lerne Ayman Al Kassar und seine Frau Nada kennen.

Für das Kochen und Backen ist Nada zuständig. Es ist leicht, Nadas großer Leidenschaft nachzuspüren, sobald man in ihre leuchtenden Augen sieht. Aus ihrer syrischen Heimat hat sie fantastische Rezepte mitgebracht. Und sie probiert immer wieder Neues aus. Alle Gäste sollen sich bei Familie Al Kassar gleichermaßen wohlfühlen. Es gibt ein umfangreiches Frühstücksangebot, das sich an den Stationen des Jakobswegs orientiert.

Darüber hinaus stehen herzhafte Speisen wie Manakish und Hummus auf dem Menu. Und natürlich auch Kuchen und Gebäck. Beliebte Zutaten für arabische Backwaren sind Honig, Mandeln, Pistazien, Datteln und Feigen. Ich empfehle, dazu eine Tasse Daffee – ein Heißgetränk aus Dattelsamen – zu bestellen. Meine Lieblingssorte ist der Daffee mit Zimt. Komplett koffeinfrei und dazu noch sehr gesund. Übrigens steckt hinter dem Daffee eine weitere faszinierende Geschichte, die ich dir hier verlinke. Alles ist mit allem verbunden.

Im besten Sinne der Gedanken von Thomas Morus lege ich dir einen Besuch im Café Camino ans Herz.

Shukran, liebe Nada und Ayman!

Komm mit ins Virtuelle Café Camino:

pastorenhaus cafe camino 360

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2 Gedanken zu „Café Camino – Pilger und Pastorenhäuser“

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

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