Die Löwen-Manufactur in Lübeck

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Barbara Schwartz

Bestimmt ist es dir schon passiert, dass du eine Reise unternimmst und du in deiner Reiseapotheke dann doch nicht genau das richtige Präparat dabeihast. Warum ich danach frage? Eine Apotheke findet sich schließlich fast überall. Das stimmt. Aber keine so einzigartige wie die Löwen-Apotheke mit ihren sehenswerten Räumlichkeiten in einem historischen Gebäude aus dem Jahr 1230. Schau mit mir hinter die backsteinerne Fassade, entdecke die Wunderkammer und die Löwen-Manufactur und triff Marcus Niendorf, den Inhaber des Patrizierhauses, der hier gemeinsam mit seiner Frau mit Kreativität und Ideenreichtum einen wahren Schatz in der Lübecker Altstadt geschaffen hat.

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Löwen Apotheke

Eines der ältesten Patrizierhäuser in deutschland

Beinahe jede Stadtführung bezieht das prächtige Gebäude an der Ecke Königstraße/Dr. Julius-Leber-Straße ein. Hat es doch eine Rückfront, die in romanischen Bauformen restauriert wurde. 1375 residierte hier die Gemahlin des damaligen deutschen Kaisers Karl IV. Der Herrscher war im gegenüberliegenden Gebäude untergebracht. Eine Tafel am Erker des Hauses erinnert an diesen besonderen Tag, der in der Ratschronik sehr detailreich beschrieben ist. Demnach sei die Herberge ihrer Majestät Kaiserin Elisabeth „auf das prächtigste zugerichtet“ gewesen und „es war ein köstlich bedeckter Gang von dem einen Hause zum andern quer über die Gasse aus dem Fenster gemacht, damit beide zu einander gehen könnten, wann sie wollten.“

Loewenapotheke Karl

Die Stadtführer:innen erzählen hier übrigens gern die Geschichte, dass sich die Majestäten tagsüber gezankt hätten und die Lübecker:innen damals unter dem Balkon darauf gewartet hätten, wer wohl den ersten Schritt zur Versöhnung machen würde. Es heißt, zunächst habe der Kaiser mehrfach an das verschlossene Fenster der Gemahlin klopfen müssen bevor diese ihm Einlass gewährte. Später hätten sich die hohen Herrschaften jedoch gemeinsam auf der Brücke gezeigt und sogar einen Kuss getauscht. Eine weise Entscheidung. Wenn auch die Missstimmung zwischen den kaiserlichen Eheleuten nicht dokumentarisch belegt ist: geholfen hätte mit Sicherheit Niendorfs Löwenstark, eines der ätherischen Öle, die Marcus Niendorf in seiner Löwen-Manufactur entwickelt. Es trägt zu innerer Ruhe und Gelassenheit bei.

Adolf Sager eröffnete in diesem Haus am 15. April 1812 die Löwen-Apotheke. Seit 125 Jahren ist die Apotheke im Besitz der Familie von Marcus Niendorf. Der studierte Pharmazeut führt sie seit 30 Jahren mit viel Geschick in vierter Generation. Im Laufe der Jahre erwuchs in ihm der Wunsch, die Geschichte des Hauses und der Apotheke, den Heilberuf des Apothekers und dessen jahrhundertealtes Wissen sichtbar zu machen.

Anlässlich eines Besuches in Florenz inspirierte ihn die „Officina di Santa Maria Novella“, deren Anfänge auf das Jahr 1221 zurückgehen, einen neuen Schwerpunkt zu setzen und eigene Rezepturen zu entwickeln. Dieser Gedanke fühlte sich fantastisch an. Allerdings brauchte es noch einige Jahre bis er den Mut hatte, aus der Beschäftigung mit Heilsalben mehr als nur eine Nebenbeschäftigung zu machen und seine gesamte Energie in die Entwicklung fein ausbalancierter Rezepturen und damit in seine Löwen-Manufactur zu stecken.

Loewenapotheke flasche

Und wie so häufig im Leben führte eines zum anderen. Es folgte der Umbau des großen Verkaufsraums in Anlehnung an die höfischen Apotheken und die Klosterapotheken früherer Zeiten. Diese waren häufig prächtig ausgestaltet, hatten hohe Stuckdecken und waren mit Malereien verziert. Für seine hochwertigen pflanzlichen Produkte schuf Marcus Niendorf ein Ambiente mit einer warmen und gleichzeitig repräsentativen Ausstrahlung. Es macht mir immer wieder Freude, ohne Hast bei leiser Musikuntermalung unter der mit goldenen Sternen verzierten Deckenwölbung an den Verkaufstischen zu verweilen.

Die Löwen-Manufactur

Die erste Rezeptur, die der Heilsalbe 22, stammt von seinem Urgroßvater Adolf Brandt. Bis heute erinnert sich Marcus Niendorf an die schmucke Blechdose und die pastöse Creme mit dem wundervollen Duft nach Vanille.

Die Produkte aus der Löwen-Manufactur bieten Lösungen für ein breites Spektrum unterschiedlicher Beschwerden von Herpes über Herzschmerz zu Husten. Menschen mit Prüfungsangst finden ebenso ein ätherisches Öl, das gleichermaßen konzentrationsfördernd und entspannend ist, wie Migränepatient:innen ein probates Öl aus Majoran, Melisse und Pfefferminze. Eine ganze Reihe von Produkten nimmt sich der weiblichen Kundschaft und ihrem Wohnbefinden in den verschiedenen Lebensphasen an.

HÖR MAL

Die LÜBECK ZWISCHENTÖNE haben im Juli die Löwen-Manufactur besucht und den neuen Gin probiert! Hör mal rein:

Die Wirkungen der pflanzlichen Inhaltsstoffe sind häufig durch wissenschaftliche Studien nachgewiesen. Sie bestätigen das umfangreiche Fachwissen, das Marcus Niendorf sich in den vergangenen Jahrzehnten angeeignet hat und den ideenreichen Pharmazeuten in seinem Tun. Er empfindet tiefe Freude dabei, neue Formulierungen zu entwickeln, einen passsenden Namen zu finden und eine hochwertige Verpackung zu gestalten.

Es heißt ja immer, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht. In Marcus Niendorfs Fall steht die starke Frau direkt neben ihm: Dietlind Wolf ist mehr ist nur Marcus Niendorfs Ehefrau – sie ist seine Muse und als diplomierte Designerin selbst eine erfolgreiche Frau, die sich u.a. als Stylistin, Porzellandesignerin und Fotografin auch international einen Namen gemacht hat. Ich folge ihr schon lange auf Instagram und sollte ihrer Arbeit gelegentlich einen eigenen Artikel widmen. Dietlind Wolf setzt die Produkte der Löwen-Manufactur für Printprodukte, den Online Shop und die Social Media Auftritte bei Facebook und Instagram mit ihrer ganz eigenen Handschrift in Szene. Ihre Ideen sind selbstverständlich auch in die Gestaltung der Räumlichkeiten eingeflossen.

Marcus Niendorf von der Die Löwen-Manufactur in der Löwen-Apotheke zu Lübeck

Dichter und Denker an der Decke

Marcus Niendorf versteht sich als begeisterter und interessierter Laie – wie er selbst sagt, der sich in Themen wie Pharmaziegeschichte, Kunst, Pflanzenkunde, Architektur und Design mit dem sach- und fachkundigen Blick eines Apothekers und viel Begeisterung eingearbeitet hat. Daher ist es immer eine Freude, ihn in den Verkaufsräumen persönlich anzutreffen. In ihm schlummern unzählige Geschichten von Begebenheiten und Menschen, die in Verbindung zur Löwen Apotheke stehen: Vorfahren und Vorbesitzer, aber auch Thomas und Heinrich Mann, Erich Mühsam, der einer der Unterzeichner einer Petition zur Rettung des Gebäudes im Jahre 1901 war, und Friedlieb Ferdinand Runge, der erste Apothekerlehrling in der Löwen-Apotheke und spätere Entdecker des Coffeins und des Chinins. Dieser wiederum wurde in einer Privataudienz von Johann Wolfgang von Goethe empfangen.

Deren Portraits sollen in naher Zukunft als Comic die Decke des Nebenraumes – der sogenannten „Wunderkammer“ – zieren. Probeweise hängen dort bereits ein paar von Marcus Niendorf selbst angefertigte Zeichnungen.

Einblick in die Löwen-Manufactur in der Löwen-Apotheke zu Lübeck von Marcus Niendorf

Die Wunderkammer

Dieser neben dem Verkaufsraum gelegene Raum ist eine Art Museum und ein wahrer Schatz. „Wunderkammer“ – so hießen die Räume, die sich humanistisch gebildete Renaissance-Fürsten im 16. Jahrhundert einrichten ließen. Hier stellten sie ihre wertvollen Kunst- und Naturalien-Sammlungen zur Schau. Auch viele Apotheken sahen zu jener Zeit ähnlich aus. Die Verkaufsräume luden die ehrfürchtige Kundschaft zum Bestaunen der Wunder ein. Darunter Stoßzähne von Narwalen, Straußeneier oder Korallen. Auch ein Krokodil gehörte früher zu einer hochkarätigen Apotheke.

Auch in der Niendorfschen Wunderkammer hängt ein Krokodil an der Wand. Das Mobiliar stammt aus einer Apotheke in Hamburg, auf die Marcus Niendorf aufgrund familiärer Kontakte aufmerksam wurde. Sie stammt etwa aus der Zeit um 1850 und hat die einmalige Patina einer Apothekeneinrichtung, in der täglich gearbeitet wurde. Diese mehr als 170 Jahre alte Materialkammer hatte um die 300 Schubladen. In der Wunderkammer der Löwen-Apotheke kannst du Pistille und Mörser bestaunen, Fragmente alter Baumstämme, Parfumfläschchen, Fayencen und Glasretorten. Schau dich dort gern um. Es kommen immer neue Schätze hinzu, denn Stillstand ist die Sache dieses vielseitig begabten Mannes nicht.

[Transparenz-Hinweis] Dieser Artikel wurde von der Löwen-Manufactur GmbH & Co. KG finanziell unterstützt.

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

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