Ein Hauch von Vietnam in Lübeck
Was ich wirklich an Lübeck mag? Unsere Stadt wird von Menschen geprägt, die mit ihrem eigenen kulturellen Background in den jahrhundertealten Mauern ganz Neues schaffen. Das war zum Glück immer schon so. Frisches Gedankengut und Waren, neue Trends und Techniken kamen mit reisenden Kaufleuten und Handwerkern aus vielen Teilen der Welt in die Stadt.
Für die Lübeck ZWISCHENZEILEN besuche ich heute das Mong Studio in der Fleischhauerstraße 48 und spreche mit den Inhaberinnen Doan Trang Nguyen und Linh An Tran. Mutter und Tochter mit vietnamesischen Wurzeln, kreative Partnerinnen, zwei Lübeckerinnen mit ganz viel Gespür für die Übertragung traditioneller vietnamesischer und asiatischer Designs in eine moderne Formensprache. Zwei Frauen, die das Beste aus zwei Welten verbinden und damit in einer Reihe mit den Vielen stehen, die Lübecks Gesicht prägten.
Freier Raum und Gelassenheit
Neugierig wurde ich auf das kleine Ladengeschäft bei einem Frühlings-Bummel durch die Altstadt, die bekanntlich eine recht große Zahl von Juweliergeschäften bietet. Manche sind seit Jahrzehnten am Ort. Dieses Geschäft schien neu zu sein. Mein Blick fiel in das geschmackvoll dekorierte Schaufenster: eine kleine Keramikschale mit einem Perlenkettchen flüsterte mir zu:
„Schau nur. Ich bin eine Schönheit, die keinen großartigen Rahmen benötigt. Von meiner Art findest du drinnen noch mehr.“
Und schon stand ich im Geschäft. Die zurückhaltende Gestaltung des Interieurs zog mich sogleich in ihren Bann: eine große backsteinerne Wand bietet den idealen Hintergrund für die handgefertigten Schätze, die auf Holztischen präsentiert werden. Schlichte Farben und ein unaufgeregtes Design, wie ich es mag: hier eine Vase, dort einige einzeln arrangierte Blütenzweige. Im Nebenraum arbeiteten die Inhaberinnen und ich erfuhr, dass das Mong Studio tatsächlich erst im März 2024 eröffnet hatte. Ich beschloss, mit etwas mehr Zeit für ein Interview wiederzukommen. Und da sind wir also!
Kaito und Mong
Unter dem Dach des Geschäfts sind zwei verschiedenen Schmuckdesigns zuhause. Kaito, die Marke, unter der Doan Trang ihren Perlenschmuck anbietet und Mong, die Gold- und Silberschmucklinie, die Linh An entwickelt hat. Das Sortiment ergänzt eine erlesene Auswahl vietnamesischer Keramikprodukte, die Doan Trang von ihren Reisen mitbringt. Zeitlose Eleganz zeichnet diese handgefertigten Produkte aus.
Die Geschichte des Mutter-Tochter-Duos begann bereits vor einigen Jahren. Zunächst schneiderte die aus Ho-Chi-Minh-City – dem ehmaligen Saigon – stammende studierte Modedesignerin Doan Trang Kleidung und Taschen aus Stoffen, die sie von ihren Reisen nach Vietnam mitbrachte. Während der Pandemie entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Kreation von Schmuck aus hochwertigen Perlen. Linh An besuchte damals noch die Werkkunstschule in Lübeck, die sie 2021 abschloss. Es überrascht nicht wirklich, dass Linh An die kreative Ader ihrer Mama geerbt hat. Mit ihren Händen zu arbeiten, fand sie immer schon sehr befriedigend. Stricken, häkeln, zeichnen, designen, fotografieren, Makramee knüpfen. 2022 begann Linh Ans Herz für die Kreation von Schmuck zu schlagen.
Weniger ist mehr
Bei einer Tasse Tee in gemütlichen Ohrensesseln sitzend erzählt mir Linh An, dass sie sich die meisten Fertigkeiten selbst beigebracht hat. Sie ist ein ernsthafter und nachdenklicher junger Mensch, der sich stundenlang in Fachliteratur vertiefen kann. Ihr intensives Selbststudium ist noch lange nicht abgeschlossen. Zurzeit arbeitet Linh An mit der sogenannten „lost wax casting“ Methode. Dieser Wachsausschmelzguss ist eine tausende Jahre alte Technik zur Herstellung filigraner Schmuckstücke. Sie hat einfach Freude am Ausprobieren und so inzwischen ihren ganz individuellen Stil entwickelt. In Südvietnam hat die junge Designerin kürzlich eine dreimonatige Weiterbildung absolviert.
Aus beiden Kulturen schöpfen zu dürfen, empfindet sie als großes Privileg. Linh An stöbert in Bildbänden und Büchern über asiatische Kunst und überlegt sich, wie sie traditionelle Motive und jahrhundertealte Geschichten aus der Heimat ihrer Familie in ihre Unikate einfließen lassen kann. Alle Spuren des Entstehungsprozesses tragen Linh Ans Handschrift und bilden die Grundlage für einzigartige Kreationen aus Silber und hochkarätigem Gold. Diese zartgliedrigen Schönheiten dürfen unvollkommen sein und ihre eigene Geschichte erzählen.
Design in der Dornse
Gleich neben dem Verkaufsraum befindet sich das Atelier der beiden Kunsthandwerkerinnen. In einer für ein Lübecker Kaufleutehaus so typischen ehemaligen Dornse. So bezeichnete man einen beheizten Raum, der für Zusammenkünfte oder als Kontor diente. 1295 wurde das Gebäude erstmals urkundlich erwähnt. Der Knochenhauer Jacob van Kile ist demnach der erste bekannte Eigentümer dieses Grundstücks. Seit damals wechselte es selbstredend mehrfach den Besitzer und bot über die Jahrhunderte Generationen von Menschen eine Heimat. Welche Ideen wurden hier wohl schon entwickelt? Heute jedenfalls tüfteln zwei engagierte Frauen an einzigartigen Designs.
Ihr Blick fällt durch die Glasfenster in den sommerlich begrünten Innenhof. Und immer gehen die Gedanken auch nach Vietnam, wo noch ein Teil der Familie lebt. Mong leitet sich übrigens vom Bergvolk der Hmong ab, das hauptsächlich in den bergigen Regionen Vietnams, Laos, Thailands und Chinas lebt. Sie sind berühmt für ihre kunstvollen Stickereien, ihre farbenfrohen Trachten und ihre außergewöhnliche Fähigkeit, aus einfachen Materialien wahre Kunstwerke zu schaffen. Passt doch wunderbar!
An ihrem Schaffensprozess lassen die Inhaber:innen ihre Followerschafft u.a. bei Instagram teilhaben. Wie pflegst du deine Perlen am besten? Wie wird aus einer Idee ein fertiges Schmuckstück? Woher stammen die Materialien und wie nachhaltig sind sie? Verschaffe dir einen ersten Eindruck online und besuche dann das Studio in der Lübecker Altstadt, um mit Doan Trang und Linh An ins Gespräch zu kommen.