junges Konzept in sehr alten Mauern
Für unseren letzten Blogartikel in diesem Jahr für die Lübeck ZWISCHENZEILEN habe ich mir ein noch recht neues Café in der Lübecker Altstadt ausgesucht. Die Cafébar Heimlicht. Es gibt nämlich kaum einen Ort, der mich so sehr fasziniert wie ein gutes Café. Hier scheint die Zeit meist einen Moment innezuhalten. Ich mag den Klang von Tassen, die auf Untertassen gestellt werden, das leise Murmeln der Gespräche an den anderen Tischen. Die Playlists, die mein Ohr mit Langnichtgehörtem erfreuen. Ich mag die Bühne, die Cafés dem Alltag bieten.
Die Cafébar Heimlicht befindet sich seit wenigen Monaten im Erdgeschoss des Finder’s Hauses an der Untertrave 96. Cafébar Heimlicht. Grandioser Name wie ich finde. Heimlich? Heim? Licht? Darüber muss ich mehr erfahren. Doch bevor wir das Café betreten, schauen wir uns das Finder’s Haus ein wenig genauer an.
Geschichten in Stein und Farbe
Mit seinen vorkragenden Obergeschossen und den massiven Granitpfeilern erzählt das Finder’s Haus – ein viergeschossige Fachwerkhaus aus dem Jahr 1569 – von Lübecks Blütezeit. Einst diente es als Etagenmietshaus für Kaufleute und Reisende in bester Lage, nämlich in unmittelbarer Nähe zum Hafen.. Es handelt sich um ein traufständiges Gebäude. Falls dir der Begriff nichts sagt: bei solch einem Haustyp ist die Traufe – also die untere Kante des Daches, an der Regenwasser abläuft – zur Straße hin ausgerichtet. Das bedeutet, dass die längere Seite des Hauses parallel zur Straße verläuft. In diesem Gebäudetyp wurde gewohnt, aber auch handwerklich gearbeitet. Meist waren hier Berufsgruppen mit bescheidenem Raumbedarf vertreten. Die Innenräume im Finder’s sind ein wahres Juwel.
Kassettendecken, filigrane Holzarbeiten und kunstvolle Wandmalereien zeugen von der Pracht vergangener Jahrhunderte.
Besonders faszinierend sind die Deckenmalereien im zweiten Obergeschoss, die einen maurischen Stil von 1606 mit Landschaftsdarstellungen aus dem Jahr 1670 verbinden. Ockerfarbene Töne, rötliche Maserungen und schwarze Mauresken erzählen von der kulturellen Vielfalt der Renaissance. Mauresken sind „ein über Italien, Frankreich und die Niederlande seit Ende des 15. Jahrhunderts in Europa verbreitetes Flächenornament islamischer Herkunft.“ (Du kannst dich hier in einem Artikel des Kulturwissenschaftlers Dr. Manfred Eckhölter über Wandmalerei in Lübeck tiefer in die Materie einlesen.)
Das Finder’s Haus ist definitiv ein Fenster in die Vergangenheit – eines, das sich jedoch nur selten komplett öffnet. Denn dieses historische Juwel ist nur zu besonderen Anlässen wie z.B. zum „Tag des offenen Denkmals“ zugänglich. Ein kleiner Wermutstropfen, ich weiß! Aber es lohnt sich, auf einen solchen Anlass zu warten, denn die Führungen werden dann meist von der Eigentümerin des Hauses, Dr. Jutta Hastenrath, persönlich geleitet. Gemeinsam mit ihrem Ehemann engagiert sie sich in ihrer Freizeit aktiv im Hansevolk zu Lübeck, einem Verein, der sich der lebendigen Vermittlung von Hansetraditionen widmet. Beim Hansevolk kennt man das Paar übrigens als Bürgermeister Arnulf von Stiten und dessen Gattin Gertrud.
Urbane Ästhetik trifft auf Backstein
Während dir das Finder’s Haus in seiner Gänze also nur an wenigen Tagen im Jahr offen steht, bietet die Cafébar Heimlicht einen fortwährenden Zugang zur besonderen Atmosphäre des Hauses. Der Heimlicht-Inhaber Lars Borowski berichtet mir, dass er sich bei der Ausgestaltung ganz bewusst für ein zurückhaltendes Konzept entschieden habe. Das Interieur sollte den historischen Charme des Gebäudes aufgreifen.
Die zentrale Wand im Café sticht durch ihr bewusst unbearbeitetes Mauerwerk hervor, das mit seiner rauen Textur einen charmanten Kontrast zu den modernen Möbeln bildet. Die warmen, neutralen Farben wirken ausgesprochen einladend. Den großen Tresen hat Lars mit einigen helfenden Händen innerhalb von einer Woche selbst gebaut. Lars ist ein kreativer Mensch mit Freude am Gestalten und Organisieren. Ideen entwickeln, Machbarkeiten einschätzen und mit Zahlen umgehen. Genau das liegt ihm im Blut. Der Gedanke, eine Kneipe oder eine Bar zu eröffnen, geisterte schon länger in seinem Kopf herum.
Als sich Anfang dieses Jahres die Chance ergab, mit einem eigenen Gastronomiekonzept durchzustarten, zögerte Lars nicht lange. Wobei er großen Wert auf die Feststellung legt, dass das Heimlicht ohne die Unterstützung seiner Eltern und seiner Schwester ein Traum gelieben wäre, denn der studierte Betriebswirt ist hauptberuflich als Eventmanager bei der Kulturwerft Gollan tätig.
Regional geniessen
Die Philosophie des Café Heimlicht spiegelt sich in seiner regionalen Ausrichtung wider. Lars möchte zeigen, was Lübeck und die Region kulinarisch können. Hier ist der Norden nicht nur Kulisse, sondern Haltung.: Kaffee von den Cycle Roasters, Althäuser Sekt vom Weinhaus von Melle, Gin aus der Burningbricks Distillery und Lübecker Zwickel von Sudden Death Brewing prägen z.B. das Getränkeangebot. Das Brot für die vor Ort frisch zubereiteten Stullen bezieht das Heimlicht von der Feinbäckerei Schüler. Mein Tipp für dich ist die reichhaltig belegte Elsässer Stulle. So richtig herzhaft mit Schinkenwürfeln und Röstzwiebeln. Lecker! Eine vegane Option gibt es ebenfalls: die Hummus-Stulle.
Wenn nicht gerade Dezember wäre, hätte ich mich mit meinem Cappucciono auf die Terrasse im Innenhof gesetzt. Hier sitzt es sich wunderbar auf bequemen Holzmöbeln in vollkommener Abgeschiedenheit in einem Meer aus Backstein.
Ich nehme angesichts der Außentemperatur heute aber lieber an einem der Tische am Fenster Platz. Mein Blick schweift hinaus zur Trave und mir kommt wieder die Frage in den Sinn, woher der Name Heimlicht wohl stammt. Spontan muss ich an die Tradition der „Heimleuchter“ denken, die in früheren Jahrhunderten Menschen, die sich diesen kostenpflichtigen Service leisten konnten, sicher durch die dunklen Gassen führten.
Lars sagt, er habe beim ersten Vor-Ort-Termin gefragt, ob er außen eine Laterne anbringen könne. Das war nicht möglich. Den beleucheteten Fahnenmast konnte er aber nutzen. Dann also eine Laterne als Logo auf der Fahne. Eine Laterne, die den Weg zu einem noch nicht entdeckten Ort – der neuen Cafébar – weisen würde. Einem heimeligen Ort, der Raum zum Innehalten bietet und Geborgenheit schenkt und offen für Alle sein möchte. Wichtiger denn je, in diesen Zeiten.