Lass uns über eine Organisation sprechen, die schon lange zum gesellschaftlichen Leben unserer Stadt gehört. Ihre Geschichte beginnt im Jahre 1899. Von Anfang an war sie ein wichtiger Träger sozialer Arbeit. Auch aus der Lübecker Kulturszene ist sie nicht mehr wegzudenken. Die Rede ist vom CVJM Lübeck e.V.
Meine erste Begegnung mit dem Verein war ein Konzert im September 2021. An den Namen der Band erinnere ich nicht mehr. Ich war eher zufällig über sie gestolpert. Sie spielten im Kneipen-Café des CVJM Altstadt Hostels. Den etwas beliebigen Umständen zum Trotz erinnere ich mich noch gut und mit etwas Wehmut an diesen Abend und seine Musik.
Ich war gerade erst nach Lübeck gezogen. Es waren die Jahre der Pandemie. In diesem wunderbar spätsommerlichen Frühherbst hatte Corona gerade eine Verschnaufpause eingelegt. Das gesellschaftliche Leben erwachte, die Menschen waren hungrig nach Erlebnissen. Für mich war es das erste Konzert seit Langem. Mit geschlossenen Augen und geschärften Sinnen verfolgte ich die Geschehnisse von einer dunklen Ecke des Lokals. Die beiden Musiker nahmen hinter ihren Instrumenten Platz. Warme Klaviertöne fluteten den Raum. Füllten mich aus. Es war so schön, wieder unter Menschen zu sein und gemeinsam Musik zu erleben. Heute möchte ich mit dir an diesen Ort zurückkehren. Einerseits geht es mir dabei um die Musik. Mein zweites Anliegen ist es, dem Verein CVJM Lübeck selbst eine Bühne zu verleihen.
„It’s fun to stay at the Y.M.C.A.”
The Village People
Ich gestehe, dass mir der CVJM vorher völlig unbekannt gewesen war. Das mag mit meinem atheistischen Aufwachsen in Ostdeutschland zu tun gehabt haben. Der Y.M.C.A. war mir selbstverständlich ein Begriff. Wer kennt den 1978er Disco-Ohrwurm der Village People nicht? Diese schrille Collage übersteigerter Männlichkeits-Klischees soll seinerzeit viel dazu beigetragen haben, Homosexualität in der Popkultur salonfähig zu machen. „Young man, ‘cause you’re in a new town, there’s no need to be unhappy”, heißt es dort und weiter geht es mit „It’s fun to stay at the Y.M.C.A.”
Der Verein wurde 1844 in England gegründet und seine Mission war schon damals, in Not geratenen Männern wieder auf den rechten Weg zu helfen. Konfrontiert mit dem Erfolg der Village People war der YMCA zunächst eher unglücklich und griff zu Rechtsmitteln. Dann besann man sich doch und zog die Klage zurück, dankbar für die Publicity.
125 Jahre CVJM Lübeck
Der deutsche „Christliche Verein Junger Männer“ änderte im Jahre 1985 seinen Namen in „Christlicher Verein Junger Menschen“, um der immer größer werdenden Zahl weiblicher Mitglieder Rechnung zu tragen. Der CVJM Lübeck e.V. feierte jüngst sein 125. Jubiläum. Er ist ein bunter Blumenstrauß unterschiedlicher Initiativen und Organisationen. Sein größtes Anliegen ist weiterhin soziale Arbeit. Der Verein unterhält Jugendtreffs, eine Kindertagesstätte, Schulkindbetreuung; er bietet Nachhilfe und organisiert Jugendfahrten und Ferienfreizeiten. Es gibt einen Gospelchor, Gesprächsgruppen und die unterschiedlichsten Initiativen zur Unterstützung von Immigrant:innen, notleidenden Student:innen und einsamen Menschen. Für seine integrative Arbeit wurde der CVJM Lübeck e.V. von der IHK und der Agentur für Arbeit zum Chancengeber des Jahres 2018 ernannt.
und dann gibt es da noch die musik
Der Jazzclub in der Großen Petersgrube 11. Hier, im Schatten der St. Petrikirche auf Lübecks Altstadtinsel laufen alle Fäden zusammen. Möglicherweise ist die Große Petersgrube einer der schönsten und architektonisch interessantesten Straßen der Stadt. Barbara widmete ihr bereits einen interessanten und aufschlussreichen Artikel. Das backsteingotische Giebelhaus an der Ecke zur Kleinen Kiesau blickt auf eine stolze Geschichte zurück. Erstmals erwähnt wurde es im Jahre 1287 und diente viele Jahrhunderte lang als Backhaus. Seit dem 19. Jahrhundert beherbergte es ganz unterschiedliche Unternehmungen von denen ab 1872 die „Rose und Schweighoffer Cigarren und Kautabak Fabrik“ die erste war. Nach umfangreichen Sanierungen bezog im Jahre 1982 schließlich der CVJM Lübeck e.V. diese geschichtsträchtigen Mauern.
Heute ist ein herrlicher sonniger Frühlingsabend und auf dem Programm steht das „Lage Nordling Electric Ensemble“ aus Schweden. Jazz mit HipHop-Einflüssen und einer Nuance Progressive Rock.
Durch eine schwere Holztür gelangen wir von der Straße in ein schummriges Foyer. Im zweiten Stock gibt es einen Seminarraum, den du für unterschiedliche Anlässe mieten kannst. Gegenüber öffnet sich eine Glastür ins sogenannte „Kneipen-Café“. Eine gemütliche Räumlichkeit mit hoher Decke und einer Galerie im Obergeschoss. Mächtige Balken aus dunklem, fast schwarzem Holz. Weiß gestrichene Wände wechseln sich ab mit unverputztem Mauerwerk. Kerzen verbreiten warmes Licht. Große Fenster blicken auf einen Innenhof, der von hohen Wänden und Efeu eingerahmt und von einer großen Eberesche beschattet wird. Linker Hand beherrscht ein Tresen den Raum. Daneben schließt sich die Bühne an. Ebenerdig. Publikumsnahe. Ein Schlagzeug und ein Flügel thronen auf einem Lager orientalischer Teppiche. Es herrscht eine behagliche Stimmung.
Die fünf jungen Musiker nehmen hinter ihren Instrumenten Platz. Gitarre, Bass, Schlagzeug, Elektronik und Saxofon. Jazz ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Auch ich stehe ihm äußerst zwiespältig gegenüber. Jazz ist jedoch ein weites Feld und birgt für jeden etwas. Heute suche ich mein Glück im musikalischen Orbit des Progressive Rock. Metallisch-schrammelige Gitarrenriffs. Mal schleppende Beats, dann treibende Percussions. Auf verträumten Klangsphären gleite ich durch den Weltraum. Das Saxofon führt mich zurück zu Pink Floyd’s „Us and them“. Hier im CVJM Lübeck fühle ich mich zu Hause. Musikalisch ist der Abend eine gemischte Platte. Entsprechend bunt ist das Publikum. Eine überschaubare, bunte Mischung aller Altersgruppen. Junge Paare, ältere Herren, eine größere Gruppe unterschiedlicher Altersklassen und ein paar schräge Vögel.
Für Joachim Lipfert, Leiter des CVJM Lübeck und ehemaliger Pastor aus dem Schwabenland, ist Jazz eine Herzensangelegenheit. Das ist dem Konzertprogramm des CVJM anzusehen. Davon zeugt auch dessen Engagement im TraveJazz-Festival, das dieses Jahr vom 5. – 7. September in seiner 10. Auflage startet.
„Life is a lot like Jazz: it’s best when you improvise“
George Gershwin, US-amerikanischer Komponist, Pianist und Dirigent
Für musikalische Abwechslung sorgt die Kooperation mit einem prominenten Nachbarn: der Musikhochschule Lübecks. Das ist auch heute der Fall. Nachdem die fünf Schweden das Feld räumen, macht der Abend eine musikalische Kehrtwende und mündet in die Brahms Night Lounge – eine von vielen Veranstaltungen des 32. Brahms-Festivals.
Neben regelmäßigen BluesSessions gibt es den unterhaltsamen Magic Music Monday. Einmal pro Monat stürmen Musikstudent:innen die Bühne des CVJM. Jammen um die Wette, improvisieren, beeindrucken durch ihr Können. Nicht selten stimmen ihre Dozent:innen mit ein. Dieses Spektakel solltest du dir nicht entgehen lassen. Der Magic Music Monday ist sehr dynamisch, endet selten vor Mitternacht und lässt dabei ein Feuerwerk unterschiedlicher Musikrichtungen abbrennen: von moderner Klassik bis Rockmusik. Obendrein ist der Eintritt auch noch kostenlos.
Es lohnt sich, das Konzertprogramm des CVJM im Auge zu behalten. Nicht selten habe ich hier überraschende musikalische Entdeckungen gemacht, die seitdem meine Spotify-Listen bereichern und die ich oft zu Hause höre. Die Village People gehören übrigens nicht dazu😉
Lieber Stefan, toller Bericht über den CVJM Lübeck. Als „Neu Lübecker“ bin ich begeistert von der Kunst- und Kulturszene in Lübeck. Ich kannte den CVJM bisher nur aus meiner ehemaligen Heimstadt Lüdenscheid in NRW. Danke für den Impuls zu den vielfältigen Aktivitäten des CVJM Lübeck. Liebe Grüße Willi
Lieber Willi,
vielen Dank für deinen netten Kommentar. Ich sehe, dass du zu unseren treuen Lesern gehörst:-) Als „Neu-Lübecker“ haben du und ich das wunderbare Privileg, diese Stadt in ihrer Schönheit und mit allen ihren Geheimnissen neu zu entdecken. Deswegen freuen wir uns auch immer über dein Feedback!
Ich wünsche dir einen guten Start in die Woche!
Stefan