Zu Besuch in der neuen Ausstellung im Günter Grass- Haus
„Saurer Regen“. Dieses Stichwort taucht als erstes in meinem Kopf auf, als ich die Ankündigung zur neuen Sonderausstellung „Into the trees“ im Günter Grass-Haus in Lübeck lese. Nicht verwunderlich. Bin ich doch ein „Eighties girl“, das die damalige drohende Krise des deutschen Waldes vor dem Hintergrund der bunten Pop-Welt rund um Madonnas „Like a virgin“, der ersten US-Serien im deutschen Fernsehen, des Wettrüstens und der Tschernobyl-Katastrophe als Zeitzeugin bewusst miterlebt hat. Aus diesem Grund war ich sofort neugierig zu erfahren, was sich hinter dem Titel der bis 27. Januar 2022 laufenden Sonderausstellung wohl verbirgt.

Der Märchenwald von Günter Grass
Mitnichten geht es um den Märchenwald. Jedenfalls nicht um den Märchenwald als solchen. Die Sonderausstellung soll interdisziplinäre Grenzen überschreiten und einen aktuellen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten. Zumal sich der Nobelpreisträger Günter Grass bereits in den 1970er und 1980er Jahren auf vielseitige Weise mit den Themen Umweltschutz und Waldsterben auseinandersetzte und damit ein gesellschaftlich bereits damals relevantes Thema aufgriff.
Die Sonderausstellung zeigt 30 bildkünstlerische Werke sowie Manuskripte des Nobelpreisträgers Günter Grass.
Das Günter Grass-Haus zeigt nun 30 bildkünstlerische Werke sowie Manuskripte des Nobelpreisträgers, darunter Radierungen, Kohle-, Sepia- und Rötelzeichnungen, Lithografien, Aquarelle und Bronzeplastiken und ist in drei thematische Bereiche unterteilt.
Der Wald als Rückzugsort
Den Anfang macht der „Wald als Rückzugsort von Günter Grass“. In diese „heile Welt“, den Ort, der dem Menschen Kraft gibt und ihn stärkt, taucht der Ausstellungsgast ein. Auf der dänischen Insel Møn hatte das Ehepaar Grass ein Ferienhaus, an das ein großer Buchenwald angrenzt. Buchen spielen in diesem Teil des Grass-Werkes eine bedeutende Rolle. Auch Wald-Gedichte schuf Grass. Diese sind in der Ausstellung zu den Bildern in Beziehung gesetzt. Hör-Stationen erlauben einen vertieften Einstieg in die Gedichte.

Die Zerstörung der Natur
Im zweiten Teil widmet sich die Ausstellung der Frage der Zerstörung der Natur durch den Menschen. Dem Roman „Die Rättin“ und dem Märchenwald in diesem Werk kommt hier eine Sonderstellung zu, da darin die apokalyptische Grundstimmung der 1980er Jahre verarbeitet wurde.
Das Sterben der Wälder begriff Günter Grass als Kulturverlust und Sterben der Märchen, die im 18. und 19. Jahrhundert einen so zentralen Punkt in der Literatur ausmachten. Grass sagte in einem Gespräch über den Wald im Januar 2011:
„Ich habe darüber geschrieben, dass unsere Kinder und Enkelkinder nicht mehr die Chance haben, sich im Wald zu verlaufen, was ja mitsamt den Ängsten, die man dabei zu überwinden lernt, etwas Wunderbares ist – auch im »Butt« spielt das eine Rolle. Jetzt sind überall Wege. Es wagt niemand vom Weg abzuweichen, sich ins Dickicht zu schlagen und sich einfach zu verlaufen. Durch den Verlust solcher Wälder verlieren auch die Märchen ihren Hintergrund.“
Günter Grass, Januar 2011
Die Welt der 1980er
Teil drei ist schließlich der Welt der 1980er Jahre gewidmet. Letzterer kommt der Ausstellungsgast vermittels einer eigens produzierten Filminstallation mit Originalaufnahmen näher, die den Kontext dieses widersprüchlichen Jahrzehnts zwischen Punkern und Poppern, zwischen den Grünen und Helmut Kohls „geistig-moralischer Wende“ herstellt.
Das Ziel der Ausstellung
Der Ausstellungstitel „Into the trees“ ist übrigens eine Reminiszenz an den Song „A Forest“ von The Cure aus dem Jahr 1980:
Eines der wichtigen Ziele der Arbeit des Günter Grass-Hauses ist, mit den Angeboten neue und jüngere Zielgruppen für das Werk Günter Grass‘ zu interessieren und dabei ausgetretene Pfade der Vermittlung zu verlassen. So auch dieses Mal.
Es wird ein Bogen zwischen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Umweltschutz und dem Wald- und Kultursterben in den Arbeiten von Grass und der aktuellen Klimaschutzbewegung geschlagen. Dazu dient auch das bunte Begleitprogramm zur Ausstellung mit Lesungen, Spaziergängen, Workshops für Kinder, und einer Instagram-Aktion. Unter dem Hashtag #hhgintothetrees erwartet das Team des Günter Grass-Hauses Bilder rund um das Thema Wald.
An die jüngsten Gäste wurde in der Ausstellung ebenfalls gedacht: In der Kinderecke wartet das beliebte Waldungeheuer „Grüffelo“ auf junge Talente, die es dem Maler Günter Grass gleichtun und die Wände bemalen wollen.

Das Rückbesinnung auf die Natur
Das Günter Grass-Haus versteht sich als „soziales Gebilde“, wie es der Leiter des Hauses Dr. Thomsa formuliert. Aktueller könnten die Bezüge der Sonderausstellung zu unserer Lebenswirklichkeit nicht sein. Erleben wir doch derzeit eine beispiellose Rückbesinnung auf die Natur, die nicht allein der Pandemie geschuldet ist. Waldbaden, Kräuterführungen, Gemüse- und Obstanbau in Privatgärten und Lauben. Themen, denen sich gerade auch viele Millenials mit großem Enthusiasmus widmen.
Mir gefällt, dass die Macher:innen der Ausstellung einen niedrigschwelligen Ansatz gewählt haben, um in das ja eher bedrückende Thema der Umweltzerstörung in der vielfältigen künstlerischen Auseinandersetzung seitens Günter Grass einzuführen. Zitate und Soundelemente stimmen emotional auf diesen Diskurs ein.
Seid nicht traurig. Wehrt euch.
Mit diesem mutmachenden Satz verlasse ich das Günter Grass-Haus. Und mit der Feststellung, dass die 1980er tatsächlich ziemlich schrill und schräg waren. Ich meine – ganz ehrlich: Vadder Abraham. Den hatte ich schon komplett vergessen…
Alle Infos rund um die Sonderausstellung findest du hier:
WALD, KLIMA UND UMWELT
Unwetter, Hitze, Wassernot;
Feuer wüten in Wald und Flur.
Flora und Fauna sind bedroht,
Klimawandel zieht seine Spur.
Vielen Tieren Lebensraum,
Für den Sauerstoff ein Quell,
Für gesundes Klima essentiell;
Das ist unser Freund, der Baum.
Ohne Bäume in Wald und Flur
Wär‘ die Erde ein öder Planet nur.
Wir sehnen uns nach diesem Grün,
Der Zeit, wenn wieder Bäume blüh’n.
Wir wollen wandeln durch Alleen,
Das Blätterdach so wunderschön.
Profitgier lässt die Wälder schwinden,
Fördert weltweit Umweltsünden.
Die grüne Lunge des Planeten
In Gefahr, da hilft kein Beten.
Zu viele Buchen und Eichen
Mussten schon der Kohle weichen.
Retten wir den herrlichen Wald,
Bewahren die Artenvielfalt.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
Dass sie nicht zur Wüste werde.
Das oberste Gebot der Zeit
Muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
Im Einklang mit der Natur leben.
WACHSTUMSWAHN
Man produziert und produziert.
Plündert Ressourcen ungeniert.
Gewinnmaximierung ist Pflicht,
Die intakte Natur zählt nicht.
Börsenkurse steh’n im Fokus,
Umweltschutz in den Lokus.
Plastikflut und Wegwerftrend,
Man konsumiert permanent.
Nur unser ständiges Kaufen
Hält das System am Laufen.
Unser westlicher Lebensstil
Taugt nicht als Menschheitsziel.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
Bringt letztlich den Planeten um.
Der Mensch, dieses kluge Wesen
Kann im Gesicht der Erde lesen.
Homo sapiens muss aufwachen,
Seine Hausaufgaben machen.
POEM FOR MOTHER EARTH
The earth is our mother,
We will not have another.
There’s no better place to find
For animals, plants, mankind.
Green woods, beautiful lakes,
Nature has got, what it takes.
We have to keep clean the air,
As environment everywere.
Put an end to coal mining,
Nuclear power and fracking.
Climate concerns all nations,
Just as plastic in the oceans.
For good living day and night
Must change darkness and light.
Our planet, so wonderful blue,
We will always protect, we do!
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Danke für diesen kreativen Kommentar und beste Grüße aus Lübeck