Am vergangenen Wochenende war ich mal wieder in Schlutup, Lübecks kleinstem Stadtteil, der nicht automatisch auf jeder Lübecktrip-ToDo-Liste steht, den ich persönlich jedoch sehr mag. Per Rad lässt sich Schlutup von Lübeck aus in rund 30 Minuten erreichen, vom Lübecker ZOB am Hauptbahnhof geht es per Bus dorthin.
Einen frühsommerlichen Ausflug in dieses an der Trave gelegene ehemalige Fischerdorf möchte ich dir sehr ans Herz legen, birgt er doch so manchen Schatz, der sich dem Auge nicht sofort aufdrängt. Schlutup war über viele Jahrzehnte eine Hochburg der Fischindustrie. Bereits im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche Räucherbetriebe. Im Ortskern zwischen der Schlutuper Kirchstraße und der Straße „Hintern Höfen“ sind bis heute einige alte Fischerhäuser erhalten.
Ein besonders schöner Blick über die Trave bietet sich dir am Schlutuper Hafen, den du sehr gut über den Mühlenweg erreichen kannst.
St. Andreas Kirche SchlutuP
Mitten im Ort lohnt die ehemalige Fischerkirche im Stil der Backsteingotik einen Besuch. Sie wurde 1425 zum ersten Mal erwähnt. Bis 1436 gehörte die Kirche noch zum Kirchspiel von St. Jakobi. Aus dem 13. Jahrhundert stammt das kalksteinerne Taufbecken. Der Kirchturm dient bis heute den Schiffern und Seglern auf der Trave als Orientierungspunkt. Ich sitze gern in aller Stille im Kirchenraum, der beinahe die Form einer Hansekogge hat, und lasse das durch die Buntglasfenster hereinströmende Licht auf mich wirken.
Der Glaskünstler Curt Stoermer schuf übrigens auch das Kriegsgefangenen-Mahnmal der Heimkehrer unter den Lübecker Rathausarkaden, das dir sicher schon aufgefallen ist. Bei einem kleinen digitalen Rundgang kannst du dir einen ersten Eindruck vom Innenraum der Kirche verschaffen.
Virtueller Kirchenbesuch
Grüner wird’s nicht
Schlutup liegt in direkter Nähe zum Lübecker Stadtforst Lauerholz. Es ist von Feuchtbiotopen und Moorniederungen umgeben. Dir bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, Wanderungen oder Radtouren zu unternehmen. Zum Beispiel rund um den idyllischen Schwarzmühlenteich, in dessen Mitte die Landesgrenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern verläuft und der in die Schlutuper Wiek mündet. Oder im ausgedehnten Landschaftsschutzgebiet der Palinger Heide. Über weite Strecken begegnet dir auf dem schmalen Sandweg kaum eine Menschenseele. Kiefern, Birken, Felder und Heide wechseln sich ab. Der Ruf eines Eichelhähers begleitet dich.
An die Zeit der innerdeutschen Grenze erinnert hier nichts mehr und doch ist dieser Teil der deutschen Historie in Schlutup und Umgebung immer präsent. Hier befand sich Deutschlands nördlichster Grenzübergang zur damaligen DDR. Die Grenze verlief von der Ostsee bis zum Ratzeburger See und über weite Strecken entlang der Trave und der Wakenitz. Im sogenannten kleinen Grenzverkehr durften im Grenzgebiet wohnende Westdeutsche in die DDR einreisen.
Grenzdokumentationsstätte Schlutup
Im ehemaligen Zollabfertigungsgebäude dokumentiert das 2004 von Privatleuten initiierte Museum die Teilung Deutschlands. Die Grenzdokumentationsstätte versteht sich als lebendiger Ort des Lernens und Stätte zur historisch-politischen Bildung. Die Sammlung und vielfältige Dokumentationen zeigen die Grenzsituation hier vor Ort bis zur Grenzöffnung 1989. Ich vertiefe mich in die vielen Fotos, die z.B. die damaligen Grenzanlagen zeigen. Mich bewegen jedoch vor allem zahlreiche Alltagsgegenstände, die sich hier entdecken lassen. Spielsachen, Pässe, Schulhefte, Auszeichnungen, Orden. Hier geht es natürlich auch um die große Politik, mehr aber wird deutlich, was es bedeutet hat, an dieser menschenverachtenden Grenze tagtäglich gelebt und gearbeitet zu haben. Das hier gezeigte Modell veranschaulicht den Aufbau der damaligen Anlagen an der Grenze.
360°-Modell im Maßstab 1:87. Erstellt von Schülerinnen der Gemeinschaftsschule Niebüll. (Galerie gesponsert durch die Agentur cp360pano.com)
Schlutup war eine Sackgasse. Hinter der Schlutuper Grenzstation kamen noch zwei Häuser, dann begann offiziell das Territorium der DDR. Weiße Pfähle mit roten Köpfen – „Streichhölzer“ genannt – markierten die deutsch-deutsche Grenze. Weiter Richtung Osten ging es hier nicht. Bis zum 9. November 1989. Jeder Mensch erinnert sich, wo er an diesem glücklichsten Tag für unser Land war. Oder in dem Moment als er erfuhr, was die Nacht gebracht hatte. Selbstverständlich ist daher ein bedeutender Teil der Ausstellung der Grenzöffnung gewidmet. In den Tagen und Wochen danach waren die Schlutuper Straßen von morgens bis abends verstopft. Umarmungen, spontane Einladungen, Schlangen vor den Ausgabestellen des Begrüßungsgeldes, Trabis. Freudvolle Momente. An diesem Wochenende jährt sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 77. Mal. Alles ist mit allem verbunden. In der aktuellen politischen Lage wird mir dies erneut sehr bewusst.
virtueller Besuch
Brathering mit Blick
Nach dieser Reise in die deutsch-deutsche Vergangenheit ist definitiv Zeit für eine Pause. Bitte Platz nehmen im Garten des Restaurants des Seglervereins Schlutup am Mühlenweg 4 mit Blick auf die Schlutuper Wiek, auf blaues Wasser und Segelboote. Oder im Gastraum, der genau so aussieht wie es sein sollte. Maritime Details, karierte Tischdecken. Ein bodenständig norddeutsches Ambiente. Ob Kutterscholle oder Brathering: der Fisch stammt größtenteils direkt aus der Trave und der Ostsee. So lässt es sich aushalten an einem Wochenende im Mai. Bis bald zu den nächsten ZWISCHENZEILEN. Da melde ich mich wieder mit einem Gastronomietipp aus der Lübecker Altstadt.