Alchemie der Stadt

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von:

Barbara Schwartz

Ein Lübecker Experiment

Über mehrere Monate haben sich interessierte Menschen aus unserer Stadt in Workshops und digital mit den Werten „Respekt“, Offenheit“ und „Selbstverwirklichung“ auseinandergesetzt. Was verbinden wir mit diesen Werten? Was bedeuten sie konkret? Wie werden sie erfahrbar? Das Projekt »Alchemie der Stadt«, das das Museum für Werte, die Overbeck Gesellschaft und das Europäische Hansemuseum gemeinsam in Lübeck als Projektpartner realisieren, sucht Antworten auf diese Fragen. Ich habe mir die erste Ausstellung angeschaut und kann dir nur empfehlen, dir die Zeit für einen ruhigen Moment zu gönnen, der dir neue Erkenntnisse über dich selbst schenken wird.

Respekt – Ausstellung in St. Petri vom 23.07. bis 28.08.2022

Was meinen wir, wenn wir von Respekt sprechen? Der Begriff wird subjektiv unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert. Am 23. Juli eröffnet eine Ausstellung im lichtdurchfluteten Kirchenraum von St. Petri, die sich dem abstrakten Wertebegriff „Respekt“ über persönliche Geschichten und Erinnerungen nähert, die Menschen unserer Stadt in den vergangenen Wochen eingesendet haben.

St Petri ist der ideale Ort für den Auftakt zu den Veranstaltungen rund um die Alchemie der Stadt. Waren doch Kirchen immer schon Orte des Austausches und der Begegnung. Ich liebe die klare und helle Atmosphäre, die Weite des Raumes, in dem die Seele zur Ruhe kommt. Hier hat das Team vom Museum für Werte rund um Jan Stassen und Laura Ludwig Gegenstände platziert, die die eingesandten Geschichten repräsentieren. Darunter eine glitzernde Abendhandtasche, eine Handvoll Orangen, ein Silberbesteck und ein Sacko. Ich verrate dir nicht, wofür sie stehen. Glaub mir: du wirst überrascht, gerührt und erstaunt sein.

An Hörstationen kannst du dich in einige der Geschichten besonders intensiv vertiefen. Als Beispiel habe ich dir die Geschichte mit dem Titel „Entscheidung“ mitgebracht.

Quelle: Audio „Die Entscheidung“ – © Museum für Werte / Alchemie der Stadt, Sprecherin Nagmeh Alaei, Foto: Niklas Heinecke 

Auch ein Musikstück ist entstanden: der Lübecker Kontrabassist Florian Galow hat eine musikalische Antwort auf die Wertediskussion. Hier kannst du schon einmal reinhören.

Am schönsten ist, dass die immersive Ausstellung viel Raum bietet, sich mit den eigenen Werten und den persönlichen Überzeugungen bezüglich des Wertes „Respekt“ zu beschäftigen.

Die Alchemie der Stadt vom Museum der Werte in Lübeck

Beispielsweise bei der Übung „Werte streichen“. Habe ich ausprobiert und es fiel mir gar nicht leicht, aus zehn erst sieben, dann fünf und schließlich drei Werte zu bestimmen, die mir am wichtigsten sind.

Stack

Imponierend ist die Installation namens „Stack“ des Künstlertrios aus Sven Sauer, Carocora und Matthias Rodach, das sich für diese erste von drei Ausstellungen in Lübeck mit dem Wert „Respekt“ auseinandergesetzt hat. Das Wahrnehmen und Aushalten von verschiedenen Perspektiven innerhalb einer Gesellschaft wird durch eine sternförmig zwischen den Kirchensäulen angebrachte Plastik visualisiert. Von allen Seiten wird am Zentrum der Plastik und damit am Wert „Respekt“ gezerrt. Nicht erst seit der Corona-Pandemie wird unsere Gesellschaft mit der Frage konfrontiert, wie ein respektvoller Umgang miteinander gelingen kann.

Dass Respekt viel mit Zuhören-Können und Zuhören-Wollen zu tun habe, sei in den Workshops in Lübeck deutlich geworden, berichtet Laura Ludwig. Die Sehnsucht danach, angehört und gesehen und damit auch respektiert zu werden, sei sehr groß. Spannend sei auch, dass im Entstehungsprozess Menschen aller Altersgruppen beteiligt gewesen seien.

Ich finde es jedenfalls fantastisch, dass so viele Menschen den Mut hatten, zum Teil sehr persönliche Momente und Begebenheiten zu schildern. Meine „Respekt“-Geschichte würde von meiner Oma Inge erzählen, die in den 1960er und 1970er Jahren in einem Altenheim in Glücksburg gearbeitet hat. Manchmal durfte ich mitfahren, um sie abholen und bekam dann meist ein Schälchen eines Desserts, das übriggeblieben war. Oma sprach stets von „ihren Damen“. Sie kannte jede ihrer Lebensgeschichten und begegnete ihnen mit Respekt vor ihrer individuellen Lebensleistung. Fragte um Rat, lernte sogar noch Neues von den Damen. Und brachte uns so bei, dass ein alter Mensch vielleicht alt aussieht, in ihm aber ein ganzes wertvolles gelebtes Leben steckt, das Respekt verdient.

Die Ausstellung ist Montags bis Freitags von 11.00 – 16.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Live aus der Ausstellung

Auch die LÜBECK ZWISCHENTÖNE sind im Entstehungsprozess dabei gewesen und haben erste Erfahrungen der Teilnehmenden gesammelt. Hör mal rein, was für die Lübecker:innen der „Wertekit“ für die Stadt ist.

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

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