Das Paravicini-Atelier

Geschrieben am:

von:

Barbara Schwartz

SatTlerei und Zirkuszauber in Lübeck

Bei unserem kürzlichen Ausflug in die Große Burgstraße hatte ich erwähnt, dass diese Straße eine Reihe von Entdeckungen bereithält. Heute möchte ich dir das Paravicini Atelier nahebringen, das sich bereits seit 10 Jahren im Gebäude der Großen Burgstraße 35 befindet. Im Atelier treffe ich den Inhaber Nicolai Paravicini, der das Sattlerhandwerk von der Pike auf gelernt hat. Er öffnet mir die Tür zu seiner Welt, in der Tradition und Handwerk eine faszinierende Liaison eingehen und in der er mehr und mehr Platz für seine große Passion schafft: die Welt des Zirkus.

Werkstatt und Showroom im Paravicini-Atelier

Sattlermeister Nicolai Paravicini hat seine Ausbildung in einem Betrieb in Rheinland-Pfalz absolviert, der ausschließlich Reitsättel fertigte. In den Norden zog ihn seine Ehefrau Ea, die als Seiltänzerin und Zirkusartistin schon lange in luftigen Höhen unterwegs war. Damals ahnte er noch nicht, dass auch ihn die Liebe zum Zirkus packen und neue Ausdrucksformen für sein handwerkliches Geschick erwecken würde. Zunächst ging es für Nicolai in Lübeck darum, mit seinem Ein-Mann-Betrieb Fuß zu fassen.

Nach dem erfolgreichen Start in kleineren Räumlichkeiten in der Großen Burgstraße folgte recht bald der Umzug in das Haus mit der Nummer 35. Beim Vorbeiradeln war ihm das Eckhaus mit dem Antiquariat im Erdgeschoss bereits aufgefallen. „Wenn das mal frei wird…“ – dachte Nicolai. Schneller als erwartet erfüllte sich der Traum. Und schon bei der Besichtigung spürte Nicolai, dass dies der perfekte Ort war, um seine kreative Arbeit in Szene zu setzen.

Leder wird lebendig

Als ich das Paravicini betrete, empfängt mich sogleich der charakteristische Duft von Leder, der Erinnerungen weckt. Der lichtdurchflutete Raum ist zurückhaltend eingerichtet. Das warme Holz des Mobiliars verbindet sich aufs Schönste mit den weißgestrichenen Wänden. Ausgewählte Ledertaschen sind gekonnt in Szene gesetzt. Für Leichtigkeit sorgen zarte Figuren aus Ton. Wahrlich ein Raum, der die Sinne berührt.

Der kleine Werkstattbereich präsentiert sich als aufgeräumter Ort konzentrierten Arbeitens: Werkzeuge, Lederrollen, Skizzen. Hier entstehen hochwertige Aktentaschen, Handtaschen, kleine Lederbehälter, klassisches Reisegepäck und Gürtel. Nicolai Paravicini gefällt, dass er in engem Austausch mit seinen Kund:innen zunächst Wünsche und Anforderungen bespricht. Er braucht dafür Empathie und ein gutes Gespür für Menschen. Der Sattlermeister hat eine Reihe von Basismodellen in Naturfarben entwickelt, die er nach Kund:innenwunsch im Format anpasst. Es folgen die Materialauswahl und das Anfertigen einer Skizze.  Die eigentlichen Sattlerarbeiten erfordern gestalterisches Geschick. Nicolai Paravicini verarbeitet ausschließlich Material aus deutschen und europäischen Gerbereien. Das feste Sattelleder hat eine besonders schöne Haptik, es ist langlebig und stabil. Ein Paravicini-Objekt erwerben Menschen, die ein wertiges Accessoire suchen, das durch ein ganzes Leben begleiten darf.

Die Welt ist voller Wunder, die darauf warten, in Kunst verwandelt zu werden.“

Karl Ove Knausgård

Ein zweites künstlerisches Standbein

Das Atelier spiegelt Nicolai Paravicinis große Hingabe an seinen erlernten Beruf wider. Spannend finde ich, dass der bodenständige Handwerker seine Liebe für die Leichtigkeit des Zirkus entdeckt hat. Eigentlich muss es ja beinahe so kommen, wenn man sein Herz einer elegant auf dem Seil schwebenden Artistin schenkt. Alles begann damit, dass Nicolai seine Ea zu Auftritten begleitete, beim Auf- und Abbau half und Energie in den Requisitenbau steckte. Das hieß aber auch, dass über viele Stunden nichts zu tun war. Zeit, die vermeintlich ungenutzt verstrich. Letztlich aber Zeit für das genaue Beobachten der Artist:innen bei den Proben und während der Vorstellung.

Nicolai erforschte die Frage nach seinen Stärken. „Was kann ich?“ Er probierte, mit Ton zu arbeiten und verbesserte abseits der Zirkusmanege seine Fertigkeiten immer weiter. Sein Ziel: den Moment der vollkommenen Konzentration einzufangen. Wenn du dich im Atelier umsiehst, entdeckst du seine Figuren in perfekter Haltung. Artist:innen mit einem fokussierten Blick. Du erahnst den Menschen hinter der großen Geste – jenseits des Glamours der Zirkusshow. Du siehst mit Nicolais Augen auf die Welt hinter dem Vorhang.

 Das Paravicini Atelier  und Qualitätshandwerk in Lübeck. Gefertigt aus nachhaltigem Leder
 Das Paravicini Atelier  und Qualitätshandwerk in Lübeck. Gefertigt aus nachhaltigem Leder

Zwischen Himmel und Erde

Erstaunt es dich zu hören, dass Nicolai vom Rand der Manege inzwischen in das Scheinwerferlicht geraten ist? Nein: den Seiltanz überlässt er weiter seiner Ea. Aber die Auseinandersetzung mit seiner Profession als Sattler und Handwerker brachte ihn zu der Überlegung, was er in eine Show einbringen könnte. Wie er darstellende und bildende Kunst vereinen könnte. Die Welt des Zirkus ist im Umbruch. Artist:innen gehen spielerisch und mit neuen Ansätzen an ihre Performance heran. Nicht das „Höher-Schneller-Weiter“ steht da im Vordergrund. Grenzen sind fließender geworden. Nicolai griff diese Beobachtung auf. Auf der Bühne arbeitet er mit Stäben, die er zu sich wandelnden Objekten zusammenfügt. Hier kannst du dir ansehen, wie Nikolais Zirkuswelt aussieht.

Du hast Lust, Ea und Nicolai Paravicini on stage zu sehen? Klar, das geht. Beim HanseKulturFestival vom 7.-9. Juni 2024 werden sie auftreten. Und später im Jahr – im September 2024 – kannst du sie eine Woche lang auf der Lübecker Domwiese erleben.

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2 Gedanken zu „Das Paravicini-Atelier“

  1. Liebe Frau Schwartz!
    In Ihren Artikeln finde ich die gleiche Leidenschaft und das gleiche Feuer für Lübeck und Ihre einzigartigen Menschen und großartigen Begabungen und Interessen wie ich es für meine Heimatstadt immer wieder (empf)finde!

    Vielen Dank für Ihre liebevolle Beschreibung von Herrn Paravicini und seiner Frau. Es war mir eine große Freude, wieder einem Teil Lübecks zu begegnen, den ich noch nicht kannte.

    Herzensgrüße

    Gesine Paasch

    Antworten
    • Liebe Frau Paasch, danke für Ihre anerkennenden Worte. Mit aufmerksamem Blick durch das vermeintlich Vertraute zu gehen, ist eine Bereicherung für den Alltag und wärmt die Seele. Wenn Sie Anregungen haben, wen wir unbedingt noch vorstellen sollten, melden Sie sich bitte gern!

      Antworten

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geschrieben von:

Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

Nix verpassen.