Lübeck und Lüneburg – zwei norddeutsche Perlen, zwischen denen es bis heute viele Verbindungen gibt. Die engen geschichtlichen Verflechtungen der beiden Hansestädte kommen in der Alten Salzstraße zum Ausdruck. Der mittelalterliche Handelsweg, der unsere beiden Städte einst reich machte, ist inzwischen eine beliebte Fernradwanderroute. Die Strecke ist etwa 116 km lang und größtenteils eben. Wir nahmen uns drei Tage Zeit für die Alte Salzstraße. Für uns waren zwei Übernachtungen entlang des Weges optimal. Mölln und Lauenburg sind zwei kulturelle Höhepunkte, die etwas mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier kommt unser Erfahrungsbericht für die ZWISCHENZEILEN.
Die Legende von Lüneburg
Was hatte es mit der Alten Salzstraße noch einmal auf sich? Glaubt man der Lüneburger Gründungslegende, soll einst ein Jäger einer wilden Sau auf der Spur gewesen sein. Er folgte ihr zu einer Waldlichtung und überraschte sie nach einem Bad in einem flachen Tümpel. Dort schlief sie nun und ihr Fell leuchtete weiß wie Schnee. Das war das Salz der Lüneburger Solequelle. Es hatte sich nach dem Bad im schwarzen Fell der Wildsau auskristallisiert.
Die Entdeckung des Salzes machte Lüneburg reich.
Lübeck als Königin der Hanse begründete ihren Reichtum bekanntlich mit dem Handel über Nord- und Ostsee. Aus Nordeuropa gelangte unter anderem Hering nach Lübeck, der hier mit dem Lüneburger Salz konserviert wurde. Aufgrund christlicher Fastenvorschriften aß man während des Mittelalters am Freitag ausschließlich Fisch. An diesem lukrativen Handel verdienten die beiden Hansestädte kräftig mit.
Der Weg des Lüneburger Salzes nach Lübeck war lang und beschwerlich. Die Straßen waren schlecht und die Fahrt mit dem Ochsenkarren nicht nur lang, sondern auch gefährlich. Wegelagerei war an der Tagesordnung. Die Stadt Lübeck musste mit ihrem eigenen Militär Ordnung durchsetzen. Gleichzeitig suchte man mit dem Bau eines Kanals die Fahrtzeit zu verkürzen. Dazu wurden ab dem 14. Jahrhundert die Flüsse Stecknitz und Delvenau nach und nach schiffbar gemacht und mit einem 11 km langen Graben miteinander verbunden.
Auf den Spuren der Stecknitz-fahrer
An einem Freitagnachmittag machten wir uns auf den Weg. Als erstes Etappenziel der Alten Salzstraße hatten wir uns die Till-Eulenspiegel-Stadt Mölln ausgesucht.
Nach vielen sonnigen, heißen Tagen war dieser Freitag kühl und windig. Der böige Südwind trieb regenschwere Wolken vor sich her. Wir überquerten die Trave über die Treidelwegbrücke, passierten die Hochhäuser Moislings, die Büssauer Schleuse und schließlich das romantische Dörfchen Krummesse. Ich mag die abwechslungsreiche Landschaft im Süden unserer Stadt.
Kleine Wäldchen wechseln sich mit grünen Wiesen ab, auf denen Pferde weiden. Störche stehen einbeinig im hohen Gras.
Oft bekommst du Reiher zu sehen, die im Schilf patrouillieren. Deine Fahrt begleiten das Knirschen des Sandes unter deinen Reifen und das Zirpen der Grillen. In Berkenthin lohnt sich ein Besuch der Kirche, die auf einem Hügel über dem Dorf thront und, von alten Gräbern umgeben, den Kanal überblickt. Ihr Innenraum überrascht mit kunstvollen Wandmalereien.
Ein kurzer Abstecher ins nahe gelegene Behlendorf lohnt sich ebenfalls. Hier verbrachte der Lübecker Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass nicht nur die letzten 30 Jahre seines Lebens. Hier fand er auch seine letzte Ruhestätte. Wenn du dem Literaturnobelpreisträger radelnd oder wandernd von Lübeck nach Mölln folgen magst, begib dich mit der Tour de Grass auf dessen Spuren.
An heißen Tagen bildet der Behlendorfer See mit seiner DLRG-überwachten Badestelle eine willkommene Abkühlung. An diesem Freitag hatten wir es eilig. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Der Wind frischte auf und brachte Regenschauer. Kurz vor Mölln riss die Wolkendecke überraschend auf und alles leuchtete orange im warmen Licht des Sonnenuntergangs. Während wir den Ziegelsee umrundeten und die Möllner Altstadt erreichten, spannte sich ein perfekter Regenbogen über den See.
Till-Eulenspiegel-stadt mölln
Mit dem Bau des Elbe-Lübeck-Kanals verlagerte sich der Verkehr entlang der Salzstraße zunehmend auf das Wasser. Dadurch verkürzte sich die Reisezeit. Es entstand die Gilde der Stecknitzfahrer. Auf ihrer Fahrt nach Lübeck machten sie gezwungenermaßen an den vielen Schleusen halt und aßen, tranken und übernachteten in den Krugwirtschaften, die passenderweise ebenfalls vom Schleusenmeister unterhalten wurden. Diese wiederum wurden von der Hansestadt Lübeck eingesetzt und bezahlt. Ich hatte in Mölln im SeidenStraße Hotel & Restaurant gebucht.
Zur Abwechslung bezogen wir unser Lager auf den Spuren Marco Polos.
Die von drei Afghanen geführte Pension stellte sich als positive Überraschung heraus. Wir schliefen tief und fest. Nach einem eigens für uns zubereitetem Frühstück im persisch-afghanischen Restaurant entließ uns unser äußerst freundlicher Gastgeber in den zweiten Tag unserer Reise.
Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und versprach einen heißen Spätsommertag. Möllns Altstadt liegt sich auf einer Halbinsel zwischen zwei Seen. Die auf einem Hügel erbaute St. Nicolai-Kirche ist von Weitem sichtbar. Wir folgten ihrem Glockengeläut zum Marktplatz, der von wunderschönen Fachwerkhäusern flankiert wird und an dem sich das Alte Rathaus und der Eulenspiegel-Brunnen befinden. Die Tourist-Information und das Möllner Museum befinden sich im Alten Rathaus. Als Übernachtungsgäste der Stadt erhielten wir für nur 4,- € ein Kombiticket für die beiden wichtigsten Museen, die ich dir wärmstens empfehlen möchte.
Das Möllner Museum füllt thematisch eine Lücke zwischen Lübeck und Lüneburg. Es ist den erwähnten Stecknitz-Fahrern gewidmet, die das Lüneburger Salz in sogenannten Prähmen transportierten. Die Fahrt dauerte bis zu drei Wochen. Ihr Ziel waren die Salzspeicher am Holstentor. Ihre Gilde residierte im Amtshaus der Stecknitzfahrer in der Hartengrube 27.
Das Eulenspiegelmuseum erzählt die Geschichte des berühmten Narren, der im 14. Jahrhundert in ganz Deutschland unterwegs gewesen ist. Er nahm soziale Missverhältnisse aufs Korn. Unter dem Deckmantel des Schalks konnte er Menschen aller Klassen und Stände ungestraft einen Spiegel vorhalten.
Lauenburg An der Alten Salzstrasse
Die Sonne stand im Zenit, als wir die zweite Reiseetappe der Alten Salzstraße in Angriff nahmen. Kein Windhauch regte sich und die Temperaturen stiegen auf über 31°C. Sehnsüchtig blickte ich auf die vielen Seen, die in regelmäßigen Abständen in den Wäldern links und rechts des Weges aufblitzten. Am frühen Abend erreichten wir Lauenburg an der Elbe, die südlichste Stadt Schleswig-Holsteins und ehemalige Residenz des gleichnamigen Herzogtums.
Die Elbe bildet hier die natürliche Grenze zu Niedersachsen. An ihrem Nordufer hat sie eine fast 70m hohe Steilküste gebildet. Oberhalb der Stadt thront das Schloss, das schon im Jahre 1181 als Polabenburg gegründet wurde. Davon ist heute nicht mehr viel übrig, aber die Aussicht ist grandios. Unterhalb des Schlosses liegt am Elbufer die Altstadt. Linker Hand mündet der Kanal in die Elbe, die hier als mächtiger Strom gemächlich Richtung Nordsee fließt. Vom gegenüberliegenden Ufer erstreckt sich die bewaldete Ebene Niedersachsens bis zum Horizont, wo wir im Dunst die Türme Lüneburgs auszumachen glaubten.
Wir schoben unsere Fahrräder über die Kopfsteinpflasterstraßen der Altstadt und bewunderten die fantastischen Fachwerkhäuser mit ihren filigranen Holzdekorationen, an denen Rosenbüsche rankten. Vom weichen Gegenlicht des Sonnenuntergangs geblendet passierten wir ungläubig staunend reich gedeckte Tische. In aller Seelenruhe saßen die Lauenburger beim Abendbrot und Klönschnack. Mitten auf der Straße. Unsere Rezeptionistin erklärte uns, dass man hier einmal im Jahr das Privatleben auf die Straße verlagere, um frisch Hinzugezogenen die Möglichkeit zu geben, sich mit den Alteingesessenen zu vermischen. Genau diesen Tag hatten wir für unseren Besuch ausgewählt. Welch ein Glück!
Wir übernachteten im „Gästehaus von Herzen“ – gegenüber der Maria-Magdalenen-Kirche im Herz der Stadt. Von unserem gemütlichen Doppelzimmer blickten wir auf den zentralen Kirchplatz, das Elbschifffahrtsmuseum und den Glockenturm. Vom Frühstücksraum, tagsüber ein Café, genießt du einen wunderbaren Blick über die Elbe.
an einem sonntag in niedersachsen
Am Sonntagmorgen läuteten uns die Lauenburger Kirchenglocken zum Abschied, als wir die Elbbrücke überquerten und am anderen Ufer niedersächsischen Boden betraten. Hier machten wir eine kurze Pause. Ein schmaler Pfad führte auf eine kleine und zugewucherte Halbinsel unterhalb des Deiches.
Das Glucksen der Wellen vermischte sich mit dem Klang der Kirchglocken.
Von hier aus hast du die schönsten Aussichten auf Lauenburg – und auf unsere Heimat Schleswig-Holstein.
Wir radelten auf dem Rücken eines schnurgeraden Deiches entlang des Elbe-Seiten-Kanals, als uns Klavierklänge und Gospelgesang aus unseren Gedanken rissen. Das war das Letzte, mit dem wir hier gerechnet hatten. Wir folgten der Musik. Hinter einer Reihe von Büschen öffnete sich der Blick auf einen Waldsee. Am gegenüberliegenden Ufer waren Bänke aufgestellt, auf denen einige Hundert Besucher Platz genommen hatten.
Ein großes Kreuz war am Seeufer aufgestellt, flankiert vom Gospelchor, einer Band und einem Blasorchester. Pfarrer in langen schwarzen Talaren standen knietief im Wasser. Zwischen ihnen spielten Kinder. Wir waren unverhofft in das Tauffest am Scharnebecker Inselsee geplatzt. 28 Kinder und Jugendliche sollen an diesem Sonntag dort getauft worden sein. Mit einem Kaffee in der Hand setzten wir uns dazu und genossen für eine Weile die fröhliche Stimmung.
Das ende der reise
Am frühen Nachmittag erreichten wir mit der Hansestadt Lüneburg das Ziel der Alten Salzstraße. Wir besuchten das außerordentlich sehenswerte Kloster Lüne, das schon im Jahr 1172 gegründet wurde und ein beeindruckendes Ensemble norddeutscher Backsteingotik darstellt. Im idyllischen Klostergarten scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Die hübsche Universitätsstadt Lüneburg selbst verdient einen längeren Besuch. Nicht nur aufgrund der zahlreichen historischen Verbindungen, denen nachzugehen auch eine Zeitreise in die Vergangenheit unserer eigenen Stadt bedeutet. Die hübsche Altstadt mit ihrem weitgehend intakten mittelalterlichen Stadtbild und den beeindruckenden Giebel- und Fachwerkhäusern beeindruckten uns tief. Im malerischen Wasserviertel liegt gegenüber dem Alten Kran die Nachbildung eines „Salzprahms“ vor Anker – eines jener Boote auf denen das Salz über den Stecknitz-Kanal nach Lübeck transportiert wurde.
Einen Besuch des Lüneburger Rathauses möchte ich dir ebenfalls empfehlen. Die sogenannte „Alte Kanzlei“ scheint sich seit Jahrhunderten kaum verändert zu haben. An einem Ehrenplatz wird in einem kleinen Glaskasten ein Schulterknochen ausgestellt. Er wird der zu Beginn erwähnten Wildsau zugeschrieben, die mit ihrem weißen Fell den Lüneburgern den Weg zur späteren Saline wies. Diese wurde zum Grundstein für den späteren Reichtum der Stadt – und verhalf auch Lübeck zum Aufschwung.
Auf dieser mehrtägigen Wanderung oder Fahrradtour auf der Alten Salzstraße wirst du sensibler für deine Umgebung. Und du hast die Möglichkeit, auch zu dir selbst zu finden.
Den Weg als das Ziel zu betrachten, empfinde ich als ausgesprochen entspannend.
Zum Weiterlesen
Alte Salzstraße: SH-Tourismus
Radfernweg Alte Salzstraße: Von Lüneburg nach Lübeck | NDR.de – Ratgeber – Reise – Radtouren