Stadtbibliothek Lübeck

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von:

Barbara Schwartz

Das Beste aus beiden Welten

Hat fast jede Stadt und kennt man doch: Leseausweis, Schließfächer für die Siebensachen, endlose Regalreihen mit Büchern, digitale Angebote, möglichst leise sein, Abgabefrist wieder mal verpasst. Da mag was dran sein und doch: die Lübecker Stadtbibliothek ist ein Unikat, und sie steht allen offen: dem Kindergartenkind und dem wissenschaftlich Forschenden, denen, die hier immer leben und jenen, die für eine kurze oder auch längere Zeit hier zu Gast sind. Grund genug, sie und ihre Angebote näher kennenzulernen.

Bibliotheksdirektor Bernd Hatscher, gebürtiger Ostfriese, der zum Studium nach Berlin ging und den sein Beruf und seine Karriere über mehrere Stationen in Deutschland – zuletzt in Frankfurt und Gütersloh – 2007 nach Lübeck führte, stellt „seine“ Bibliothek in der Hundestraße 5-17 vor und gewährt einen Blick hinter die Kulissen.


Das Gebäude – wie das echte wahre Leben

Stadtblbiothek Vorraum


Ein einzigartiger Schatz verbirgt sich in Lübecks historischer Altstadt, da die Gebäudeteile, die das Ensemble ausmachen, aus dem Mittelalter und dem 19. und dem 20. Jahrhundert stammen. 1619 wurde die Bibliothek durch die Zusammenlegung mehrerer Kirchenbibliotheken begründet und ihr damaliges Domizil, den ehemaligen Schlafsaal der Franziskanermönche im Katharinenkloster, hat sie bis heute beibehalten. Neben diesen prachtvollen Räumlichkeiten aus dem 14. Jahrhundert, – dem Scharbausaal und dem Konsistorialsaal – sowie dem Mantelsaal von 1877 – besticht der Willy-Pieth-Lesesaal aus den 1930er Jahren im Stil der „Neuen Sachlichkeit“.
Der 1970er-Jahre- Bau der Stadtbibliothek war damals ein wahres Vorzeigeobjekt, das nach nur 3 Jahren Bauzeit in Anwesenheit des damaligen Bundespräsidenten 1979 eröffnet wurde. Damals fusionierten die Lesehalle, die im Gebäude des heutigen Willy-Brandt-Hauses ihre Heimat hatte, und die wissenschaftliche Stadtbibliothek. Möglicherweise ist der Charme der 1970er aus heutiger Perspektive nicht unmittelbar zu erkennen, dennoch gibt auch er mit seinem Lichthof und den niedrigen Decken dem Haus sein unverwechselbares Gesicht. Man sollte sich die Chance nicht entgehen lassen und bei einem Lübeck-Besuch an einer der regelmäßig stattfindenden kostenlosen Führungen teilnehmen. Sie finden jeden 1. Mittwoch im Monat statt.

Die Bibliothek als dritter Ort – eine Einladung an ALLE


1989 veröffentlichte der amerikanische Raumsoziologe Ray Oldenburg seine Theorie der „Third Places“, Sozialräumen, die nach dem Zuhause und der Arbeitsstelle wichtige Rollen im Leben der Menschen spielen. Auch die Stadtbibliothek Lübeck versteht sich als Treffpunkt, als Aufenthalts- und Lernort und einfach als Wohlfühlplatz. Jede:r ist willkommen, hier Zeit zu verbringen, im Netz zu surfen, in den bereitstehenden Sitzgruppen zu schmökern, zu recherchieren und in fremde Welten einzutauchen. Wen es nicht mehr gibt, das sind die Damen mit strengem Gesicht und Dutt, die man früher klischeehaft mit den Lesesälen assoziierte, die zur Ruhe mahnten und das angemessene Verhalten der Bibliotheksgäste überwachten. Die Lübecker Stadtbibliothek ist eine hybride Institution, die online und offline Angebote unterbreitet, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. 71% der Nutzer in Lübeck entscheiden sich für digitale Angebote. Doch auch die Zahl derer, die ganz konventionell Bücher ausleihen, ist in jüngster Zeit gestiegen.

Stadtbibliothek Himmelsglobus


Die Bibliothek möchte sichtbar sein: neben den regelmäßigen Führungen werden die verschiedensten Veranstaltungen angeboten, um auf ihre vielfältigen Leistungen als unverzichtbare Kultur- und Bildungseinrichtung hinzuweisen. Bei der Langen Nacht der Bibliotheken war man 2019 erstmals dabei. 2.000 Besucher:innen kamen, im Scharbausaal wurde Tango getanzt, man konnte Ozobots programmieren oder bei einem Glas Wein das alte Lübeck im Film entdecken. Auch 2023 hat sich die Bibliothek an der Nacht der Bibliotheken beteiligt. Natürlich ist der Aufwand jedes Mal groß, aber der Erfolg gibt dem Team Recht und auch 2025 wird man in Lübeck wieder ein buntes Programm gestalten.

Ist das Buch nicht schon tot?

Stadtbibliothek Decretales sm

Eine polemische Frage, die sich – und uns – nicht erst Marcel Reich-Ranitzki stellte. Selbstredend ist das Buch nicht tot und DAS Buch gibt es ja ohnedies nicht. Die Zahl der Neuerscheinungen steigt. Rund 29,9 Millionen Menschen in Deutschland kaufen Bücher. E-Book oder das klassische Buch mit Seiten zum Umblättern?  

„Das Buch wird noch da sein, selbst wenn die erste elektronische Impulswaffe alle elektronisch vorhandenen Informationen zerstört hat“

Bernd Hatscher

Und die braucht es möglicherweise nicht einmal, denn noch ist ja vollkommen offen, ob die auf unseren aktuell hochmodernen Medien gespeicherten Daten auch in 30 Jahren noch abrufbar und lesbar sein werden. Bernd Hatscher gibt Fach- und Sachbüchern den Vorzug vor Romanen, hat aber kein Lieblingsbuch. Für ihn bedeutet das Buch Entspannung und Muße, damit sich Themen und Thesen im Kopf und im Herzen in Ruhe entfalten können.

Digitalisierung – innovativ und beispielgebend

Bereits seit seinem Amtsantritt hat der Bibliotheksdrektor das Thema Digitalisierung mit großem Engagement mit seinem Team vorangetrieben. Seit 2007 gibt es den Katalog in digitaler Form, 2009 wurde die digitale Auskunft eingeführt, seit 2011 können E-Books ausgeliehen.
Aufgrund ihrer fast 400-jährigen Geschichte verfügt die Stadtbibliothek Lübeck über einen wertvollen Altbestand und umfasst sehr viele seltene oder singuläre Stücke. Der Grundbestand aus 1.100 gedruckten Werken und etwa 230 Handschriften reicht bis in das 11. Jahrhundert zurück und stammt- aus den Beständen der Marien-, der Jakobi-, der Petri- und der Aegidienkirche. Hinzu kamen die Bibliotheken des Rates, der Katharinenkirche und der Lateinschule.
Dank der Unterstützung der Possehl-Stiftung konnte ein hochwertiger Scanner angeschafft werden. Seit 2015 werden die Altbestände systematisch im eigenen Haus gescannt, digitalisiert, verschlagwortet und inhaltlich eingeordnet. So können die wertvollen Bücher der Fachwelt, aber auch der interessierten Öffentlichkeit weltweit zugänglich gemacht werden. Dies hat zwei Vorteile: die Originalausgaben werden geschont und können so auch für kommende Generationen bewahrt werden. Mehr Menschen haben gleichzeitig jedoch auf die digitalen Versionen der Werke Zugriff.

Und was gibt es zu entdecken?

Fast 940.000 Medien – analog und digital: wissenschaftliche Fachbücher und historische Schätze, spannende Kinder- und Jugendbücher, jede Menge Spiele oder Hörbücher. Eine großartige Musikbibliothek bietet Partituren ebenso wie die BRAVO-Hits oder Keshas aktuelles Album. Also auch hier: es ist für Alle etwas dabei.  Einen Leseausweis gibt es vor Ort, freies WLAN ebenfalls. Einfach mal reinschauen! 

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

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