M.C. Wölffer

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Barbara Schwartz

Ein HUt, ein Stock, ein regenschirm …

Heute starten wir unsere kleine Geschichte für die Lübeck ZWISCHENZEILEN im Jahr 1792.

1792 – da war doch was. Französische Revolution. Jakobiner. Absetzung des Königs Ludwig XVI. und seiner Gemahlin Marie Antoinette (deren beider Ende unschön war, wie wir aus dem Geschichtsunterricht wissen).

Und in Lübeck? Hhmmm. Da fiel mir nichts ein. Schnell ins Archiv der „Lübeckische Anzeigen von allerhand Sachen, deren Bekanntmachung dem gemeinen Wesen nöthig und nutzlich ist“ geschaut. Und natürlich passierten damals wie heute dieselben Dinge:

1792

Eine junge Demoiselle wünscht als Haushälterin in der Wirthschaft oder bey Kinder diesen Ostern engagirt zu seyn.

Am Donnerstag, den 23. Februar ist aus dem Hause in der Marligrube eine kleine feine Spitzhündin entlaufen. Wer selbige wieder abliefert hat ein Douceur zu erwarten.

Bei Reuter in der Wahmstraße sind heute ganz frische holländische Austern angekommen, die nebst große lebendige Krebse um billigen Preis zu haben.

Ich finde aber auch Anzeigen, die uns ins Jahr 1792 zu unserem Thema und Martin Christian Wölffer führen, dessen Name das Fachgeschäft für Schirme und Stöcke in der Fleischhauerstraße 2 bis heute trägt:

18. August 1792

Da jemand am Sonnabend den 4. Aug. einen feinen Regenschirm, mit I.I.B. gemerkt, verlohr: so wird der Finder gebeten, selbigen beim Eigenthümer gegen eine Belohnung wider zuzustellen.

Der verlorene Schirm mag bei M.C. Wölffer an dessen Verkaufsstand unter den Rathausarkaden erworben worden sein. Dort begann die bis heute andauernde Erfolgsgeschichte des Fachgeschäfts, das der aus dem Harz stammende Schirmmacher Wölffer begründete.

„Irgendetwas muss meine Familie ja richtig gemacht haben,“ fasst Martin Christians Nachfahrin Gabriele Waldraff-Wölffer, die das Fachgeschäft für Schirme und Stöcke in Lübeck in fünfter Generation führt, die vergangenen 231 Jahre bei unserem unterhaltsamen Gespräch rückblickend zusammen.

Ein Schirm ist ein Schirm ist ein Schirm

M.C. Wölffer Regenschirme und Tradition aus Lübeck

Die gebürtige Lübeckerin ist eine lebenserfahrene und pragmatische Dame, die die Dinge gern beim Namen nennt. Ihr ist vollkommen klar, dass ein Schirm ein Gebrauchsgegenstand ist, der zuverlässig funktionieren soll. Selten nur macht sich jemand viele Gedanken um einen Schirm. Es fällt auf, dass man ihn vergaß, wenn es zu regnen beginnt. Es ist ärgerlich, wenn das mitgeführte Exemplar eine gebrochene Stange oder einen Riss im Bezug aufweist. Dass es über Schirme aber so viel mehr zu erzählen gibt, ahnen die Wenigsten.

Gabriele Waldraff-Wölffer hingegen weiß alles über Schirme. „Da macht mir keiner ein X für ein U vor“, sagt sie lachend. Über Öffnungssysteme informiert die Inhaberin ebenso kundig wie über Schirmformen. Sie berichtet mir, dass ein Schirm möglichst einen festen Stock und bestenfalls ein zehnteiliges Gestell haben sollte. Dass Stangen aus Stahl, Fiberglas, Aluminium oder Carbon bestehen können, deren Form eine Auswirkung auf die Stabilität und die Haltbarkeit sowie auf das Gewicht eines Schirms haben. Mit den innovativen Materialien könne ein Leichtgewicht von Schirm auf nur 134 g kommen.

Das traditionsreiche Fachgeschäft führt Schirme unterschiedlichster Qualität für ein Publikum, das Frau Waldraff-Wölffer sehr gut kennt. Immerhin sind wir hier in Lübeck, wo die Kundschaft auf solide gearbeitete Produkte in nicht allzu riskanten Farbkombinationen setzt. Modelle in Schottenkaro und gestreift gingen immer. Wobei Frau Waldraff-Wölffer einen farbenfrohen Bezug empfehlen würde, der ein Lächeln auf die Gesichter zaubert und einen Regentag verschönt. „Wenn es regnet, ist es doch eh schon grau, da muss der Schirm das ja nicht noch unterstreichen.“

Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.

Karl Valentin (1882-1948)

Wer billig kauft, kauft zweimal

Von 15 € bis 225 € reiche die Preisspanne in ihrem Geschäft. Teurer ginge natürlich immer, aber „muss das sein?“ fragt sich die Schirmspezialistin. Viele der Modelle stellt sie mit ihrer Mitarbeiterin – einer versierten Näherin – selbst her. All ihr Können habe sie ihrer Mutter Lotti zu verdanken. Diese sei enorm tüchtig gewesen. Anfang der 1970er Jahre kam Gabriele Waldraff-Wölffer, die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau ist, nach mehrjähriger Tätigkeit für eine Reederei in den USA mit ihrer Familie nach Lübeck zurück und stieg in das Geschäft ein.

Learning by doing war in den Folgejahren die Devise. Sie sei als Kind ja quasi im Geschäft aufgewachsen und so schien der Wechsel in die Schirmbranche nur logisch und passend.

Der Kontakt zu ihren Kund:innen macht ihr auch nach all den Jahren noch unglaublich viel Freude. Sie ist überzeugt, dass perfekter Service und eine kompetente und ehrlich gemeinte Beratung der Schlüssel zum Erfolg sind. Kundenfreundlichkeit habe bei allen Vorgänger:innen und in ihrer eigenen Tätigkeit als Geschäftsfrau stets im Mittelpunkt gestanden.

Typisch für ihren unaufgeregten Stil ist auch, dass sie ihrer Kundschaft den Raum und die Zeit gibt, sich umzusehen. Manchmal zieht sie sich dazu in die kleine Werkstatt hinter dem Verkaufsraum zurück.

Upcycling A la Wölffer – seit 1792

Dort in der Wölfferschen Werkstatt entdecke ich eine weitere kleine große Welt, die mir völlig fremd war. Die Reparatur von Schirmen ist ein überaus intensiv nachgefragter Service bei Wölffer. So viele Schirmwerkstätten gibt es in Deutschland schließlich nicht mehr. Bei Wölffer werden in liebevoller Handarbeit Speichen, Kugelspitzen und Schieber erneuert und Näharbeiten ausgeführt. „Defekte Gestelle schlachten wir aus“, erläutert Frau Waldraff-Wölffer. Es gäbe so viele Modelle, dass nicht alle Ersatzteile stets vorrätig sein können. Und mehr und mehr Kund:innen dächten um und ließen reparieren anstatt wegzuwerfen.

Wobei man die Kirche im Dorf lassen müsse. Nicht jede Reparatur sei sinnvoll.

Da ist sie wieder, die bodenständige und praktisch denkende Frau, die beim Erzählen immer mal wieder ein „Well“ oder ein „Excuse me“ in ihre Sätze einstreut. Eine kleine Reminiszenz an die Zeit in Amerika.

Flanieren, spazieren, ambulieren

Neben Schirmen sind Gehstöcke im Angebot. Ein Accessoire, das über Jahrhunderte zu jedem Menschen gehörte, der etwas auf sich hielt. Ob mit Griff aus Silber oder Elfenbein, mit Einlegearbeiten oder besetzt mit edlen Steinen: luxuriöse Spazierstöcke wurden passend zur Kleidung und zur jeweiligen Stimmung gewählt. Diese Art Spazierstöcke führt Frau Waldraff-Wölffer nicht. Das würde auch nicht wirklich zur eher weniger verspielten norddeutschen Natur passen. Ihre Stöcke sind elegante Gehhilfen aus verschiedenen Hölzern, die individuell angepasst und mit einem Griff ganz nach dem Geschmack der Kundin oder des Kunden versehen werden.

M.C. Wölffer Regenschirme und Tradition aus Lübeck

Der Tradition verpflichtet

Vor einigen Jahren wollte Frau Waldraff-Wölffer die Räumlichkeiten modernisieren. „Was willst du?“ fragten Freunde und Bekannte entgeistert. Zum Glück wurde dieser Plan ad acta gelegt, so dass die ganz eigene Atmosphäre im Laden bis heute spürbar ist. Die schlichten Vitrinen aus Nussbaum, der langgestreckte Tresen mit der mehr als 100 Jahre alten Registrierkasse, die Wand mit den Portraits der Ahnen, der Messingleuchter mit dem lübschen Doppeladler und liebevoll platzierte Details lassen den Besuch bei Wölffer zu einer kleinen Reise in die Vergangenheit werden. In eine Zeit, als es weder Websites noch Social Media, noch Onlineshops gab.

Hier folgt daher kein Link, sondern die unbedingte Empfehlung, zu Wölffer zu gehen und dort ganz analog mit einer lebensklugen Frau ins Gespräch zu kommen und einen Schirm fürs Leben zu erwerben.

10 Gedanken zu „M.C. Wölffer“

  1. Hallo, wir waren vor 2 Jahren in Lübeck und haben diesen Laden auch besucht, da im Schaufenster ein toller Schirm ausgestellt war. Mein Mann sagte ich solle ihn mir anschauen und habe die Bekanntschaft von Frau Waldraff-Wölffer gemacht. Sie ist sehr kompetent und kennt sich wirklich in diesem Bereich sehr gut aus. Sie hat mir sogar angeboten, wenn etwas kaputt geht solle ich mich melden und Sie repariert ihn dann wieder. Der Laden ist richtig urig eingerichtet, wir hatten ein angenehmes Gespräch. Wenn ich nochmal in der Nähe bin, werde ich diesen Laden wieder besuchen.

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      • Hallo Frau Schwartz, ich habe Ihren informativen Bericht gelesen. Es trifft alles zu. Ich war Heute im Geschäft um meinen ledierten Sturmschirm reparieren zu lassen. Ruck zuck hatte Frau Wölffer den Schirm wieder in Ordnung gebracht.
        Wir haben uns dann noch über Lübeck und vieles anderes sehr gut unterhalten.
        Da ich Fotos von Schiffen für Marinetraffic mache, muß ich oft die Böschungen
        herunter und da brachte Frau Wölffer mich auf die Möglichkeit eines verlängerbaren faltbaren Gehstock. Und Ruck zuck habe ich den gekauft und
        habe fröhlich das Geschäft verlassen. Das ich nur wärmsten empfehlen …

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  2. Sehr geehrte Damen und Herren,
    leider wurde mir mein toller Stockschirm, den ich bei Ihnen vor drei Jahren gekauft habe, gestohlen. Ein schwarzer, doppellagiger Stoff mit innenliegenden Regenbogenfarben,
    Ich bin sehr traurig, da mir dieser Schirm sehr viel Schutz und Freude gab.
    Kõnnten Sie mir diesen Schirm noch einmal arbeiten?
    Gerne schicke ich Ihnen auch noch ein Foto zu.
    Ihre Rückantwort abwartend gerne auch telefonisch unter 0157 33296224, mit freundlichen Grüßen
    Monika Pauli

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    • Liebe Frau Pauli, das ist ja ausgesprochen ärgerlich. Wir möchten Sie bitten, Frau Wölffer unter 0451/77877 anzurufen.Sie ist Mo-Fr von 10.00 – 18.00 Uhr und Samstags von 10.00 – 14.00 Uhr zu erreichen. Sie wird Sie mit Sicherheit unterstützen können.Wir drcken die Daumen!

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

Nix verpassen.