Buchhandlung maKULaTUR

Geschrieben am:

von:

Barbara Schwartz


Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.

Heinrich Heine

Schnitzereien aus Buchsbaum, spätgotisch handflächenklein, damit Adlige und reiche Bürger sie in der Tasche tragen konnten. Davon habe ich noch nie etwas gehört. „Small Wonders“ heißt der Katalog dieser Miniaturkunstwerke, liebevoll gedruckt auf natürlich buchsbaumfarbenem Papier, mit dem ich die mir vermeintlich gut vertraute Welt der Bücher heute auf völlig neue Art entdecke. Ich bin in der Buchhandlung maKULaTUR in der beliebten Hüxstraße verabredet. Seit 20 Jahren ist das Haus mit der Nummer 87 eine ganz besondere Adresse für  Menschen, die Bücher lieben. Die klugen Köpfe hinter diesem Konzept sind die beiden Inhaberinnen Birgit Böhnke und Regina Giese.

Leidenschaft zwischen Papier und Kunst


Mit nur etwa 65 m2 Fläche ist das Geschäft eine unglaubliche Inspiration in Form von feinsinnig arrangiertem und konzeptionell präsentiertem Lesestoff. Büchertische und Regale voller Bildbände, Monografien, Fach – und Sachbücher, literarischer und essayistischer Werke. Den Schwerpunkt des Sortiments bildet eine umfangreiche Auswahl an Büchern und Ausstellungskatalogen zu den Themen Kunst, Fotografie, Architektur, Design, Kulturgeschichte, Politik und Philosophie. Ergänzend gibt es ein Angebot ausgewählter Belletristik und in jüngster Zeit vermehrt feministischer Literatur. Die Themen spiegeln das große Spektrum der aktuellen gesellschaftlich relevanten Fragen wider.

Buchhandlung maKULaTUR Fenster

Zwei Berlinerinnen mit Lust auf Veränderung


Kennengelernt haben sich Birgit Böhnke und Regina Giese in Berlin. Regina hatte ein Kunststudium absolviert, Birgit Literatur- und Theaterwissenschaft studiert. Zusammen gekommen sind sie im Kunstbuchhandel, wo beide in leitenden Funktionen arbeiteten – die eine zuletzt in der Neuen Nationalgalerie, die andere in den „Kunstwerken“ in der Auguststraße -, bis zu Beginn der 2000er Jahre in ihnen der Wunsch keimte, von Grund auf den Rahmen zu wechseln. Sie nahmen für ihr Projekt, sich selbständig zu machen, nicht Berlin, sondern den Norden als neuen Lebensmittelpunkt in den Blick. An Lübeck reizte beide nicht nur, aber auch das Modellhafte, der Kontrast. Und eine gewisse Nebenrolle spielte auch Thomas Mann, denn Birgit war in ihrer Jugend eine glühende Verehrerin der Mannschen Werke, seiner speziellen Sprache und seiner Charaktere.


Die Räumlichkeiten in der Hüxstraße waren eher ein Zufallsfund und keine Liebe auf den ersten Blick. Das Objekt lag in der „richtigen Straße“ und war finanzierbar, wenn es auch im damaligen Zustand als ehemaliger gastronomischer Betrieb mit Tresen, Zapfhahn, künstlichem Weinlaub und Fachwerkimitat nicht eben einladend wirkte. In nur zwei Monaten verwandelte sich das Haus unter intensivem persönlichem Einsatz in eine Buchhandlung, in ein wahres Schmuckstück. Es scheint in der Rückschau nach 20 Jahren beinahe wie ein Wunder, dass dies zu schaffen war. Auf jeden Fall ist es ein eindrücklicher Beweis dafür, dass alles möglich ist, wenn man für eine Sache brennt.


Inzwischen ist maKULaTUR eine Institution in Lübeck, was die beiden Buchhändlerinnen selbst beinahe ein wenig zu erstaunen scheint. Zahlreiche Stammkunden suchen die Buchhandlung regelmäßig auf, manche kommen gezielt aus Hamburg oder Hannover, einfach weil es ein solches Buchgeschäft dort nicht gibt.


Ausgezeichnete Arbeit


Die herausragende Arbeit der Inhaberinnen wurde bereits zweimal – 2016 und 2018 – gewürdigt. In der Kategorie ,Besonders herausragende Buchhandlungen‘ erhielt maKULaTUR 2016 den deutschlandweit zweiten Buchhandlungspreis, die Auszeichnung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland für unabhängige inhabergeführte Buchhandlungen.


Und was ist nun das Besondere?

LTM maKULaTUR Regina Giese Foto Klaus Giebel
LTM maKULaTUR Birgit Boehnke Foto Sebastian Juellig


Birgit Böhnke und Regina Giese verstehen es, Bücher in einen neuen Blickwinkel zu rücken. Einfach, weil ein Buch für sie niemals nur bedrucktes Papier ist. Sie sehen ganz genau hin, stellen Querverbindungen her und kennen und erkennen Überschneidungen und Schnittmengen von Thesen und Themen aus Philosophie, Kunst und Literatur, die sie erforschen. Werke und ihre Autor:innen werden von ihnen in einem interdisziplinären Zusammenhang gesehen. Dieser Teil ihrer täglichen Arbeit ist ihnen ein Vergnügen, weckt immer wieder ihre Neugier und macht letztlich auch den Erfolg des Buchladens aus.
Im Gespräch entstehen neue Konnotationen. Der Austausch über ein Buch ist dabei niemals eine Einbahnstraße. Auch die Kundinnen und Kunden inspirieren mit ihren Fragen, Wünschen und Aufträgen. Die Buchhändlerinnen helfen bei der Beschaffung von Hintergrundliteratur und recherchieren selbst zu unterschiedlichen Fragestellungen.


Beiden ist die Gestaltung eines Buches wichtig. Ästhetik ist ein großes Thema, wobei es nicht darum geht, dass ein Cover ansprechend aussieht oder sich in der Auslage gut macht. Es geht um die raffinierte Beziehung zwischen dem Inhalt und dem Erscheinungsbild.


So many books – so little time

Enzyklopaedie Zarten


Ihre Tage müssten am besten 48 Stunden haben , damit neben der Arbeit in der Buchhandlung, neben der Korrespondenz und dem Sichten der Programme hunderter Verlage, der Buchhaltung, der Umsetzung neuer Ideen für die Umgestaltung des Ladens Zeit bliebe für die vielen Bücher, die sie selbst gern noch lesen würden, für Textarbeit, Rückzug und das Eintauchen in neue Gedankenwelten. Und mehr Zeit für Veranstaltungen, auch das ist ein Thema: Autorenlesungen, Büchertische und Diskussionsrunden. Beide empfinden es als zuweilen schmerzlich, dass manche Idee eine Idee bleiben muss, wenn man mit ganzer Seele bei der Sache bleiben will. Nur gut, dass sie mitsamt zwei Katzen über der Buchhandlung leben und immer ganz nah bei ihren Büchern sind. Wie wundervoll muss es sein, mal eben nach unten gehen und ein Buch aus dem Regal ziehen zu können, über das man oben bei einem Tee gerade zu sprechen gekommen ist.

https://www.makulatur.com/neuerscheinungen.html

Schreibe einen Kommentar

geschrieben von:

Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

Nix verpassen.