Café Konvent

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Barbara Schwartz

Im ehemaligen Handwerkerviertel

Heute nehme ich dich für die Lübeck ZWISCHENZEILEN mit ins Aegidienviertel, genauer gesagt ins Café Konvent, wo ich dessen Inhaber Julian Alm auf einen Cappuccino treffe, um mit ihm ein wenig hinter die Kulissen seines beliebten Cafés zu blicken.

Wir starten am Klingenberg und bewegen uns entlang der Aegidienstraße den Altstadthügel hinab in Richtung St. Annen-Straße. Im oberen Bereich der Aegidienstraße siehst du einige Nachkriegsbauten, weiter unten präsentiert sich die Straße mit malerischen Fassaden in dem für Lübeck so typischen Stilmix. Hier ein Treppengiebel, dort ein barockes Stadtpalais, das Ganze vermengt mit ein wenig Klassizismus. Hier und da bleibt der Blick an einem schmalen Eingang hängen, der zu einem versteckt gelegenen Wohngang führt. Auch dies ist solch ein vertrautes Gefühl, das sich beim Schlendern durch die von der UNESCO ausgezeichnete Altstadt häufig einstellt. Im Aegidienviertel entdeckst du z.B. den Durchgang zwischen Wahmstraße und Aegidienstraße. Er wird von uns Einheimischen liebevoll „Unnerbüx“ – Unterhose – genannt, weil der Gang einen Eingang und zwei Ausgänge hat.

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Schließlich, erreichen wir am unteren Ende der Straße die Aegidienkirche. Du wirst verstehen, dass ich sie auf meinem Weg ins Café nicht so einfach ignorieren kann, auch wenn sie in diesem Beitrag nicht die Hauptrolle spielt. Immerhin wurde die Kirche der Handwerker und Ackerbürger ja bereits 1227 erstmals urkundlich erwähnt. Ackerbürger bestritten ihren Lebensunterhalt weitgehend aus dem Betrieb einer kleinen Landwirtschaft. Wenn du magst, begleite unsere Stadtführerin Anna ins Innere der Kirche und schau dir dieses Video an. Was es mit dem „T“ auf sich hat, das dir hie und da rund um die Kirche begegnet, erfährst du hier in unserer Rubrik ZWISCHENSTOPPS.

Convenire im Konvent

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Das Café Konvent liegt an einer Straßenecke in der St. Annen-Straße 1 direkt hinter St. Aegidien. Über 700 Jahre gab es an diesem Ort in Kirchennähe Fürsorgeeinrichtungen verschiedenster Art. Und über 200 Jahre bis zur Reformation lebten Beginen im Aegidien – und Michaeliskonvent an der St. Annen- und Stavenstraße. Beginen waren Angehörige religiöser Laiengemeinschaften, die vor allem karitativ tätig waren und sich um Kranke, Arme und Sterbende kümmerten.

Das im neugotischen Stil errichtete Gebäude, in dem sich das Café Konvent befindet, wurde 1890 erbaut. Es gehört zum sozialen Wohnprojekt Aegidienhof. Der Name des Cafés ist demnach sehr wohl gewählt. Hier kommen Tag für Tag Menschen zusammen. Viele sind Stammgäste, die einander hier immer mal wieder begegnen und über die Tische hinweg ins Gespräch kommen. Möglichkeiten zum Autausch zu bieten, sei ihm wichtig, sagt Julian Alm, ein gebürtiger Lübecker mit Mut zum Gründen.

Julian stammt aus einer alteingesessenen Lübecker Unternehmerfamilie. Die Firma Farben Alm gründete Julians Ur-Uropa 1888. Von ihm und seinem Vater hat Julian gelernt, vorausschauend zu denken. Er schätzt traditionelle hanseatische Werte wie den Handschlag, mit dem eine getroffene Vereinbarung bekräftigt wurde,

Schon seit seinem 16. Lebensjahr ist Julian in der Gastronomie tätig und irgendwie drin „hängengeblieben“. Nach Stationen in verschiedenen Städten kehrte er nach Lübeck zurück. Hier war und ist er sehr gut vernetzt. Die Entscheidung für das Café fällte Julian sehr rasch. Sein Bauchgefühl flüsterte ihm bei der Besichtigung der Räumlichkeiten ein gut deutlich vernehmbares „Ja“ zu.

Und der Erfolg gibt ihm und seinem Team Recht. Durch die etwas versteckte Lage in einem Teil der Altstadt entdecken viele Besucher:innen unserer Stadt diesen Schatz der Gastroszene eher durch Zufall zum Beispiel nach einem Besuch im St. Annen-Museum. Im Konvent triffst du auf Cafégäste aus der Nachbarschaft. Hier machen Handwerker:innen und Schüler:innen Pause. Die deckenhohen Räume mit den teilweise unverputzten Wänden lassen ein Gefühl der Weite entstehen. Der Mix aus Tischen und Stühlen aus unterschiedlichen Materialien passt wunderbar zur Idee, ein einladender Ort für Alle zu sein.

Besonders schön sitzt es sich draußen auf einem schattigen Platz direkt an der Kirchenmauer von St. Aegidien. Mir als Buchliebhaberin gefällt natürlich der Bücherschrank, in dem ich bereits hín und wieder eine kleine literarische Überraschung entdeckt habe.

Wenn’s aus ist, ist’s aus

Das Frühstück ist im Konvent ausgesprochen beliebt, vor allem, da es den ganzen Tag über angeboten wird. Mein Favorit sind die Eggs Benedict, die mit unglaublich leckerem Sauerteigbrot und einer Avocadocreme serviert werden. Die Stullen aus selbstgebackenem Sauerteigbrot – auch als vegane Option – sind überhaupt DER Klassiker im Konvent, das als einziges Café in Lübeck diese Brotsorte aus eigener Herstellung anbietet. Sauerteig ist seit rund 6.000 Jahren bekannt und inzwischen wieder ausgesprochen trendy. Im Gegensatz zu anderen Broten verbessert die langsame Gärung des Sauerteigs in Verbindung mit den Milchsäurebakterien nämlich die Bioverfügbarkeit dieser wichtigen Nährstoffe. Das gesunde Produkt herzustellen, ist allerdings recht zeitaufwändig: Montags setzt Julian den Teig an, Dienstags wird er gefaltet und in Garkörben vorbereitet. Mittwoch ist Backtag. Und es wird den Rest der Woche über auch nichts nachgebacken. „Wenn’s aus ist, ist’s aus“, sagt Julian. Zum Glück hält das Team auch verschiedene andere Leckereien und frischgebackene Kuchen für dich bereit. Und wenn dir der Sinn mal nicht nach einer Kaffeespezialität steht, dann geht selbstverständlich auch ein Longdrink. Zumal das Konvent bis in den Abend geöffnet hat.

Bio, regional und nachhaltig. Das sind keine bloßen Buzzwords für Julian. Er legt Wert darauf, dass er Produzent:innen und Lieferant:innen kennt. Zum Teil sind enge Freundschaften entstanden. Zum Konzept gehört auch eine Kooperation mit Too-good-to-go. Zudem gibt es mit dem Verein Aegidienhof ganz im Geist des Verbs convenire gute Verbindungen. Bei seinem Team setzt Julian auf Selbstmanagement und bietet engagierten Kräften Entwicklungsmöglichkeiten.

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Mein Interview mit Julian entwickelt sich zu einem lebendigen Austausch über die Herausforderungen, mit denen sich die gesamte Gastrobranche aktuell konfrontiert sieht. Julian ist überzeugt, dass gute Gastronomie nicht auf Knopfdruck funktioniert. Eine große Portion Idealismus gehöre dazu. Es könne auch nicht schaden, juristische Kenntnisse mitzubringen, handwerklich geschickt zu sein und ein wenig Ahnung von Psychologie zu haben. Und natürlich unternehmerische Weitsicht. Die Julian zum Glück in den Genen hat.

Das Café ist nämlich nicht einfach nur ein Café. Ebenso sehr liegt Julian und seinem Team das Kaffeerösten am Herzen. Alle Kaffees aus der Konvent-Rösterei sind fair oder direkt gehandelt und/oder aus biologischem Anbau. Du kannst deine Lieblingssorte direkt vor Ort erwerben oder ihn dir bequem nach Hause liefern lassen. Im Online-Shop gibt’s überdies verschiedene Produkte mit dem Slogan „Koffein statt Kokain“. Mir gefällt Julians Credo, dass Gäste und Team einander bestenfalls auf Augenhöhe begegnen. Das passt in die Zeit, finde ich.

Zum Café Konvent bei Instagram

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Barbara Schwartz

Kennst du das auch? Du kommst an einer Inschrift, einer Skulptur oder einer Gedenktafel vorbei und musst einfach stehenbleiben, um herauszufinden, was es damit auf sich hat? So geht es mir. IMMER! „Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht.“ Ich kann Goethe an dieser Stelle nur hundertprozentig zustimmen. Genau deshalb möchte ich nie aufhören, das nur scheinbar Unwichtige aufzuspüren, Zusammenhänge zu erkennen, Neues zu erfahren und Menschen und ihren Geschichten auf die Spur zu kommen. Okay und zu lange Sätze zu schreiben .. . Und neue Sprachen zu lernen natürlich ...

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